Eiskaltes Schweigen
unglücklich.
»Ein phantasiebegabter Staatsanwalt könnte es Zuhälterei nennen.«
Stachowiak schien mit jedem meiner Worte kleiner zu werden.
»Haben Sie eine Ahnung, was die Hausverwaltung mir bezahlt für den Job?«, fragte er zerknirscht. »Der Kleine kostet, er braucht Windeln und ständig neue Sachen, ich muss hin und wieder auch mal was essen.«
Ich lehnte mich zurück und faltete die Hände im Genick. »Nun gut. Von mir aus muss der Besitzer nichts von Ihrem Nebenverdienst erfahren.«
Stachowiak starrte mich ungläubig an. »Echt jetzt? Sie verpfeifen mich nicht?«
»Bedingung ist, dass Sie ab sofort ehrlich zu mir sind.«
Im Vorzimmer quiekte der kleine Sohn des kleinlauten Hünen, der mir gegenübersaÃ. Seine mächtige Glatze glänzte feucht im Licht der Deckenbeleuchtung. Sönnchen lachte. Offenbar verstand man sich prächtig.
»Wie gut haben Sie Frau Bialas tatsächlich gekannt?«, fragte ich.
»Ich â¦Â wir â¦Â bin ein paar Mal bei ihr gewesen, ja.«
»Und nicht nur wegen der Heizung.«
»Anfangs doch.« Jetzt starrte er wieder die Tischkante an, als gäbe es dort ein Rätsel zu lösen. »Später auch â¦Â Sie haben recht, auch aus anderen Gründen.«
»Sie haben mit ihr geschlafen?«
»Aber nicht, was Sie denken.«
»Was denke ich denn?«
»Dass ich mich an sie rangeschmissen hätte. Und dass ich eifersüchtig war und sie erstochen habe. Wir haben uns ein bisschen angefreundet. Sie hat ja keinen Menschen gekannt, und mein Job ist auch nicht gerade so, dass er einen von morgens bis abends ausfüllt. Ich habe sie auf ihren Namen angesprochen, Bovary. Ich bin ja studierter Romanist, und so sind wir insGespräch gekommen, über die französische Literatur. Anita hat unglaublich viel gelesen. Und gleich am ersten Tag, wie sie bei mir war und den Vertrag unterschrieben hat, da hat sie meine Bibliothek entdeckt und gejubelt. Ich habe ihr dann hin und wieder Bücher ausgeliehen. Und umgekehrt.«
»Und weiter ist nichts gelaufen?«
»Wir haben ein paarmal zusammen Kaffee getrunken.«
»Und über Literatur gesprochen.«
Jetzt sah er mir ins Gesicht.
»Sie glauben mir nicht?«
»Nein.« Ich beugte mich vor. »Ich will Ihnen sagen, wie es war: Frau Bialas hat ihre Situation genossen. Die plötzliche Freiheit, allein in einer fremden Umgebung, wo niemand ihren Namen kannte. Diese merkwürdigen Bilder an der Wand, das Wissen, wozu ihre Wohnung früher gedient hat â¦Â«
Stachowiak kratzte sich erst am Handgelenk, dann im speckigen Genick.
»Die Frau war so was von heië, flüsterte er schlieÃlich. »Die ist mir regelrecht an die Wäsche. Gleich beim ersten Mal, wie ich oben war. Die hat mich erst auch gar nicht wegen der Heizung gerufen, sondern wegen der Klospülung. Die ist aber völlig okay gewesen.«
»Und wie lange lief das?«
»Vier, fünf Wochen. Dann hat sie auf einmal nichts mehr von mir gewollt. Von einem Tag auf den anderen war ich abgemeldet.«
»Hat sie einen anderen gehabt?«
»Natürlich.«
»Wissen Sie, wen?«
»Einen Lehrer vom Gymnasium in Schriesheim.«
»Woher wissen Sie, dass er Lehrer ist?«
Die traurige Kopie eines Hells-Angels-Chefs wurde sogar ein wenig rot. »Ich â¦Â bin ihm â¦Â gefolgt.«
»Sie hatten sich in sie verliebt.«
»Quatsch. Es war Sex. Aber es war verdammt guter Sex.« Er schwieg für einen langen Augenblick mit gesenktem Blick. Im Vorzimmer war es plötzlich still. »ScheiÃe, ja. Ich habe mich ein bisschen in sie verknallt, ja.«
»Später kamen vermutlich noch andere Männer.«
Auf diese Behauptung reagierte er nicht.
»Und irgendwann haben Sie es nicht mehr ertragen und sie zur Rede gestellt.«
»Nein. Und umgebracht habe ich sie auch nicht.«
»Was ist eigentlich aus Ihrer Frau geworden?«
»Jessy?« Er schluckte und faltete die groÃen Hände im SchoÃ. »Die ist weg. Fragen Sie mich nicht, wohin. Vielleicht Tibet, vielleicht Indien, vielleicht ist sie tot. Sie war schon immer so â¦Â flatterhaft. Eine Elfe. Ein Schmetterling. Oft auf Dope. Trotzdem haben wir ganz gut miteinander gekonnt. Ich dachte, mit dem Kind, da wird es vielleicht anders, das wird sie erden. Aber â¦Â« Wieder schwieg er für Sekunden. »Was
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