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Eiskaltes Schweigen

Titel: Eiskaltes Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Burger
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Daumen hatte ich vom Schrauben und Hämmern eine Blase und zudem an den merkwürdigsten Stellen Muskelkater.
    Â»Das heißt«, sagte ich, »wir haben es wahrscheinlich mit demselben Täter zu tun. Gibt es offenkundige Gemeinsamkeiten zwischen den Opfern?«
    Â»Auf den ersten Blick nicht«, erwiderte Evalina Krauss. »Aber wir wissen im Moment natürlich noch nicht allzu viel.«
    Â»Wie hieß der Tote noch mal?«
    Â»John Karenke. Von Beruf war er Juwelier. Früher hat er ein kleines, ziemlich feines Geschäft in der Altstadt gehabt. Nichts Großes, aber er konnte anscheinend ganz gut davon leben. Vor zwei Jahren musste er sein Geschäft aus Altersgründen aufgeben. Die Augen haben wohl nicht mehr so mitgemacht. Aber damals ist er auch schon neunundsechzig gewesen, wenn ich mich nicht verrechnet habe.«
    Sie drückte eine Taste des Notebooks auf ihren Knien.
    Â»Geboren ist er in Heidelberg. Seine Eltern waren wohlhabend, obwohl der Vater anscheinend gar nichts gearbeitet hat. Nach dem Abitur ist der Sohn dann eine Weile durch die Welt gezogen. Ein Jahr Hamburg, drei in Köln, wo er eine Lehre als Juwelier angefangen und bald wieder abgebrochen hat.« Sie gähnte herzhaft. »Anschließend ist er in den USA gewesen und später sogar in Australien. Was er da getrieben hat, weiß ich noch nicht. Anfang der sechziger Jahre sind seine Eltern bei einem Verkehrsunfall gestorben, und er ist wieder in Heidelberg aufgetaucht. Und ein paar Monate später hat er in der Ingrimstraße eine kleine Goldschmiedewerkstatt eröffnet. Die Eltern haben ihm das Haus am Gaisbergweg hinterlassen und außerdem genug Geld, dass er zurechtkam. In dem Haus hat er bis zu seinem Tod gewohnt.«
    Evalina Krauss klappte ihr Notebook zu und gähnte schon wieder. Vermutlich hatte sie die halbe Nacht durchgearbeitet.
    Â»Der Todeszeitpunkt ist natürlich fast nur noch Spekulation. Er muss ungefähr eine Woche tot gewesen sein, als wir ihn gefunden haben, schätzen die Forensiker anhand der Menge der Maden, plusminus zwei, drei Tage.«
    Sie schluckte, schwieg für zwei Sekunden und klappte ihr Computerchen wieder auf.
    In diesem Moment platzte die Tür auf, Runkel stürzte herein.
    Â»Kettenbach ist weg«, keuchte er. »Grad hat mich ein Kollege aus Genf angerufen. Kettenbach hat Urlaub genommen und gesagt, er würd für ein paar Tage verreisen. In seiner Wohnung ist er nicht, und sein Auto ist auch weg.«
    Seufzend fiel ich in meinen Sessel zurück. Da waren wir wohl zu langsam gewesen. Genauer: Ich war zu langsam gewesen, denn ich hatte die Entscheidung getroffen, Kettenbach vorerst an der langen Leine laufen zu lassen.
    Â»Und jetzt?«, fragte Runkel. »Was machen wir denn jetzt?«
    Â»Schreiben Sie ihn zur Fahndung aus. Die Tatsache, dass er abgetaucht ist, werten wir im Zusammenhang mit den anderen Indizien als dringenden Tatverdacht. Ich rede gleich mit der Staatsanwaltschaft.«
    Runkel setzte sich zu uns, Evalina Krauss nahm den Faden wieder auf.
    Â»Im Lauf seines Lebens war Karenke viermal verheiratet. Mit seiner jetzigen Frau war er sechs oder sieben Jahre zusammen, aber sie haben sich auch schon wieder getrennt. Muss ein komischer Typ gewesen sein. Die Frau sagt, es sei bei ihm ganz normal gewesen, dass man ihn tagelang nicht erreicht hat.«
    Â»Was heißt das, er war tagelang nicht erreichbar?«
    Â»Es sind gar nicht die Nachbarn gewesen, die die Leitstelle angerufen haben, sondern seine Frau. Die Nachbarn haben später nur gesagt, dass der Hund ständig gebellt hat. Sie wohnt momentan im Hotel, und irgendwann hat sie sich gewundert, dass er nicht ans Telefon gegangen ist.«
    Â»In welchem Hotel ist sie?«
    Â»Im Europäischen Hof.«
    Â»Nobel, nobel«, knurrte Balke und hustete.
    Â»Und was sagt die Spurensicherung?«, fragte ich.
    Â»Bisher nicht viel«, seufzte Evalina Krauss und rieb sich das rechte Auge. »Da ist ja alles voller Blut gewesen, und …«
    Abwesend starrte sie auf ihren Bildschirm. Dann sah sie mir ins Gesicht.
    Â»Ich habe so was noch nie gesehen, Chef«, sagte sie leise. »Ich träume davon, jede Nacht. Gewöhnt man sich irgendwann daran?«
    Â»Nein«, erwiderte ich. »Ich jedenfalls habe mich nie daran gewöhnt. Aber in der Regel ist es ja auch nicht so schlimm.«
    Sie starrte eine Weile ins Nirgendwo. Dann gab sie sich einen Ruck.
    Â»Okay, weiter im

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