Eiskaltes Schweigen
zurück, soll ich Ihnen sagen.«
»Ab sofort suchen wir das verbindende Glied zwischen den beiden Opfern«, sagte ich. »Was hatten sie gemeinsam? Woher hat der Täter sie gekannt?«
»Zum Glück hat der Täter bisher nicht wieder zugeschlagen«, sagte Evalina Krauss nachdenklich. Plötzlich wurde mir bewusst, dass es in letzter Zeit keine Rangeleien mehr zwischen ihr und Balke gegeben hatte. Offenbar hatte man sich zusammengerauft.
»Stimmt.« Balkes Blick suchte nach einem Ziel für sein durchnässtes Papiertaschentuch. Ich schob meinen Papierkorb in seine Reichweite. Er warf in hohem Bogen und traf beim ersten Versuch. »Er hat jetzt elf Tage stillgehalten. Das lässt hoffen, dass nicht noch mehr Leute auf seiner Liste stehen.«
»Sie werden mir jetzt aber nicht auch noch krank«, ermahnte ich ihn.
»Kommt überhaupt nicht in Frage.« Balke grinste schief und zupfte ein frisches Taschentuch aus einem neuen Päckchen. »Wie gehtâs nun weiter?«
»Wir brauchen alle Informationen über John Karenke, die wir kriegen können. Jedes Detail kann wichtig sein. Ich rede mit seiner Witwe. So kann ich Sie ein wenig entlasten.«
Und meinem Schreibtisch entkommen, dachte ich, was mir mehr als recht war.
14
Die Witwe des ermordeten Juweliers hieà Irina mit Vornamen und war eine beeindruckende Frau. Wir saÃen in der dezent beleuchteten Lobby des Hotels Europäischer Hof an der Friedrich-Ebert-Anlage.
»Ich kann es noch nicht wirklich begreifen, dass John nicht mehr lebt.« Sie sah auf ihre Hände, die locker im Schoà lagen. »Natürlich musste man damit rechnen, dass er nicht ewig leben wird. Aber so â¦Â Mein Gott, nicht auszudenken, was hätte geschehen können, wenn ich im Haus gewesen wäre.« Sie schluckte, schloss kurz die Augen. »Hätte ich ihn nicht verlassen, dann würde er vielleicht noch leben â¦Â«
»Sie hätten ihn nicht retten können«, sagte ich fest. »Im schlimmsten Fall wären Sie sogar selbst zu Schaden gekommen.«
Das Ambiente war nobel. Viel Gold, viel Rot, dicke Teppiche dämpften die Schritte, in einem Flachbildschirm flackerte ein Kaminfeuer. Für Sekunden war meine Gesprächspartnerin mit ihren Gedanken weit weg. Dann sah sie auf. »Wenn ich irgendetwas tun kann, wenn ich irgendwie helfen kann, diesen â¦Â Menschen zu fassen, der das getan hat â ich stehe zu Ihrer Verfügung.«
Sie schaffte es sogar, ein wenig zu lächeln, und entblöÃte dabei zwei Reihen ebenmäÃiger Zähne.
Ich saà in einem hochlehnigen und für meinen Geschmack zu weichen Ohrensessel und fühlte mich unwohl wie immer, wenn ich es mit Hinterbliebenen frisch Verstorbener zu tun hatte. Man möchte helfen, möchte etwas tun und weià doch, dass hier nicht zu helfen ist. Dass der Tod endgültig ist. Dass der Mensch, der einem gegenübersitzt, mit seinem Leid allein fertig werden muss, mit seinen Selbstvorwürfen, seiner Einsamkeit.
Zwischen uns stand ein niedriges Tischchen, auf dem Prospekte von Heidelberg herumlagen. Irina Karenke mochte Ende dreiÃig sein, war wohl über die Jahre ein wenig füllig geworden und strahlte trotz ihrer Trauer Selbstsicherheit und Würde aus. Sie trug ein marineblaues Baumwollkleid, dessen Rock die Knie bedeckte. Ihr Blick war jetzt konzentriert und aufmerksam.
»Deshalb bin ich hier«, sagte ich freundlich, »damit Sie mir helfen, den Mörder Ihres Mannes zu finden.« Ich berichtete ihr von dem zweiten Mordfall. »Es muss irgendeinen Zusammenhang zwischen Ihrem Mann und dem ersten Opfer geben, und Sie können mir möglicherweise helfen, ihn zu finden. Sagt Ihnen der Name Bialas etwas? Anita Bialas?«
Ohne den Blick von meinem Gesicht zu wenden, schüttelte sie langsam den Kopf mit den seidig schimmernden dunkelbraunen Locken.
»Nein. Tut mir leid.«
»IFS? Hatte Ihr Mann einmal mit einer Finanzagentur namens IFS zu tun?«
Dieses Mal hob sie die Achseln. »Ich müsste in Johns Unterlagen nachsehen. Um die finanziellen Dinge habe ich mich nicht gekümmert.«
Ich klärte sie darüber auf, wer Anita Bialas war, woher sie stammte, wo und was sie gearbeitet hatte.
Immer wieder schüttelte sie ratlos den Kopf.
»Würden Sie mir ein wenig von Ihrer Ehe und Ihrem Mann erzählen?«
Sie schlug die dunklen Augen nieder, legte die Fingerspitzen
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