Eiskaltes Schweigen
aneinander. Die sauber gefeilten Nägel waren farblos lackiert und schimmerten wie Perlmutt.
»Johns Leben war Schmuck«, begann sie. »Er war Goldschmied und hat all die schönen Sachen, die er verkauft hat, mit seinen eigenen Händen hergestellt. Die geschäftlichen Dinge, Bilanzen, Steuererklärungen, Geld, all das war ihm nicht wichtig. Wichtig waren ihm die strahlenden Augen seiner Kundinnen. Glücklich, wirklich glücklich war John, wenn er eines seiner Werke am Körper einer attraktiven Frau bewundern durfte.«
»Wie es scheint, ist er finanziell dennoch gut über die Runden gekommen.«
»Sie haben es richtig ausgedrückt.« Sie lachte traurig. »Das scheint leider nur so. Das Haus gehört längst wieder zum gröÃten Teil der Bank. Drei Scheidungen von zänkischen Weibern können auch einen wohlhabenden Mann ruinieren. Und den letzten Rest seines Vermögens hat John vermutlich für all die Quacksalber ausgegeben, die er in den letzten Jahren wegen seiner Augen konsultiert hat. Wissen Sie, John war ein Mensch, der sich für Geld ganz einfach nicht interessiert hat. Auch dies war übrigens einer der Punkte, die am Ende zum Zerwürfnis geführt haben.«
»Wie war Ihre Ehe früher? Vor Ihrer Trennung?«
Ãberrascht sah sie auf. »Tut das denn etwas zur Sache?«
»Ich möchte wissen, was John Karenke für ein Mensch war.«
»Die Ehe war gut«, erwiderte sie verwirrt. »Insgesamt gut, ja.« Ihr Blick irrte ab. »Nur in den letzten Monaten â da war es nicht mehr auszuhalten mit ihm. Er war auf einmal so â¦Â kalt. So abweisend.«
Lange sah sie an mir vorbei auf einen überdimensionierten Ãlschinken an der Wand, der â was sonst? â das Heidelberger Schloss im Abendlicht zeigte.
»Ja.« Sie nickte so nachdrücklich, als müsse sie sich selbst von der Wahrheit ihrer Worte überzeugen. »Sie war gut, unsere Beziehung. Wir waren übrigens nicht verheiratet. Deshalb ist mein Name auch nicht Karenke, sondern Durian. Ich hatte nicht viel Glück im Leben, müssen Sie wissen. Erst als John in mein Leben trat, wurde plötzlich alles besser. Auf einmal habe ich auf der Sonnenseite gelebt, wurde auf Händen getragen. John konnte so zärtlich sein, so fürsorglich, so herzlich. Früher. Soll ich Ihnen erzählen, wie wir uns kennengelernt haben?«
»Ich bitte darum.«
Jetzt lächelte sie in sich hinein. »Durch Schmuck, wie sonst. Ich wollte ein Paar preiswerte Ohrringe kaufen für eine pubertierende Nichte, ein durch und durch schreckliches Kind übrigens. Deshalb hatte ich auch nicht die geringste Lust dazu, aber irgendetwas brauchte ich eben. Ich war schon einige Zeit erfolglos durch die Altstadt geirrt und hatte nichts gefunden, was mir gefallen hätte. Ich wollte schon aufgeben und mir ein anderes Geschenk für die missratene Göre überlegen, da bin ich in Johns winzigem Geschäft gelandet. Für einige Sekunden stand ich allein in seiner Schmuck-Boutique und wollte gerade wieder gehen, nachdem ich die Preise gesehen hatte. Da kam John herein und sah mich an, als hätte er eine Erscheinung. âºWarten Sie, ich glaube, ich habe etwas für Sieâ¹, sagte er und verschwand wieder nach hinten. Dann kam er mit einer Halskette, einer ungeheuer wertvollen goldenen Halskette, und legte sie mir um. âºSie sind die Frau, für die ich das hier gemacht habeâ¹, sagte er nur. Er wollte kein Geld dafür, er wollte nur, dass seine Kette endlich den richtigen Hals, das richtige Dekolletee schmückte. Von diesem Augenblick an waren wir ein Paar, ob Sie es glauben oder nicht. Seither weià ich, dass es die Liebe auf den ersten Blick gibt. Dass es die Liebe überhaupt gibt. Alles davor â¦Â« Sie schluckte, senkte den Blick, »â¦Â war Vorspiel. Notwendige Vorbereitung auf diesen Mann. Damit ich die Kraft hatte, ihn festzuhalten.«
»Die Kette haben Sie noch, nehme ich an?«
»Sie liegt oben in meinem Zimmer. Möchten Sie sie sehen?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Ich habe mein Haar damals genauso getragen wie heute«, fuhr sie fort. »Früher habe ich es gerne zu einem Knoten gefasst, weil es im Alltag praktischer ist und bei Hitze angenehmer. Aber seit diesem Moment in Johns Laden durfte ich mein Haar niemals mehr anders tragen in seiner Gegenwart.«
»Wer hätte Grund,
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