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Eiskaltes Schweigen

Titel: Eiskaltes Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Burger
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Nacht?«
    Â»Im Bett«, seufzte er. »Bei einer Nutte. Bei einer kleinen, dreckigen Nutte bin ich gewesen und hab’s mir ordentlich besorgen lassen. Und wenn Sie es unbedingt wissen wollen: Das mach ich öfter, seit die Anita … nichts mehr von mir … wissen will.«
    Â»Sie können Sie nicht vergessen?«
    Â»Ich denk nichts anderes, von morgens bis abends, als Anita, Anita, Anita. Hab gedacht, wenn ich weit weg bin, dann wird’s besser. Wird’s aber nicht, es wird nicht besser. Und jetzt ist sie tot. Ich bin fast verrückt geworden die letzten Tage. Hab’s einfach nicht mehr ausgehalten in dem blöden Genf. Ich musst wenigstens noch mal das Haus sehen, wo sie gewohnt hat, irgendwas, verstehen Sie? Wo ich mit ihr zusammengewohnt hab, irgendwas musst ich noch mal sehen. Ich weiß, es ist bescheuert, aber ich konnt einfach nicht anders. Hab seit drei Tagen nicht mehr geschlafen. Seit ich weiß, dass sie tot ist, hab ich nicht mehr geschlafen.«
    Ich schwieg. Was sollte ich sagen?
    Â»Ich …« Kettenbachs Schmerzen schienen allmählich schwächer zu werden. Er richtete sich ein wenig auf, sah irgendwohin in den Regen. Sein Gesicht war seit Tagen nicht rasiert. Zwischen den Stoppeln entdeckte ich eine Menge ungesund wirkender Pickel. »Ich hab sie geliebt, verdammt«, murmelte er wie in Trance. »Wie ein Irrer hab ich sie geliebt. Sie ist die erste Frau in meinem Leben gewesen, vor der ich Respekt gehabt hab, verstehen Sie? Sonst immer bloß Nutten, abgefuckte Flittchen, die ein Dach überm Kopf gesucht haben oder einen, dem sie ein bisschen Geld klauen können. Und dann die Anita … wollen Sie hören, wie wir uns kennengelernt haben?«
    Â»Hm.« Allmählich wurde mir kalt. Auch ich war fast bis auf die Haut durchnässt.
    Â»Ich – lachen Sie nicht – ich hab sie angefahren. Auf dem Zebrastreifen. Ich hatt mich grad mal wieder über irgendwas aufgeregt, und dann passieren mir manchmal so Sachen.«
    Â»Und da hat sie sich in Sie verliebt. Aus Dankbarkeit.«
    Â»Machen Sie ruhig Witze. Sie hat am Knie geblutet, und ich hab sie ins Krankenhaus gefahren, zum Röntgen. Ist aber zum Glück nichts gewesen, nichts Ernstes. Dann hab ich sie heimgefahren, irgendwann haben wir aufgehört, uns anzugiften, und ich hab sie noch auf einen Versöhnungskaffee eingeladen und später auch noch zu einem Cognac, und irgendwie sind wir ins Reden gekommen. Wir waren beide solo, und irgendwie … wir haben uns ganz gut verstanden. Sie hat es eher auf die harte Tour gemocht, wenn Sie verstehen, was ich meine. Ich hab noch nie eine Frau erlebt, der es so megamäßig kommt. Aber den Nutten kommt es ja sowieso nie. Die tun immer nur so, damit man eine Freude hat.«
    Â»Warum haben Sie sie nicht geheiratet?«
    Â»Ich hätt schon wollen. Die Anita aber nicht. Nicht gleich. Hat wohl ihre Erfahrungen gehabt. Erst mal abwarten, erst mal noch gucken, hat sie gemeint. Immerhin sind wir dann zusammengezogen. Sie hat eine echt nette Wohnung gehabt. Vielleicht ist das der Fehler gewesen. Vielleicht, wenn wir getrennt geblieben wären, dann wären wir jetzt vielleicht noch zusammen.« Kettenbach lachte gequält über sein ungewolltes Wortspiel. »Wenn Sie mal vierzig sind, hat man seine Gewohnheiten. Man verändert sich nicht mehr so leicht. Anita wollt abends weg, was erleben, und ich war nie da, wegen meiner Arbeit. Die ganze Zeit hab ich mir ausgemalt, wie sie es mit anderen Männern treibt. Mir war sonnenklar, dass ich spinne, aber ich hab einfach nichts dagegen machen können. Dauernd hab ich sie auf dem Handy angerufen und wollt wissen, wo sie ist, was sie grad so macht. Das hat sie natürlich genervt, ich versteh’s ja. Und dann hat sie das Handy einfach ausgelassen an den Abenden, wenn sie unterwegs war. Und dann haben wir gestritten. Sie war ja weiß Gott nicht aufs Maul gefallen, die Anita.« Unendlich müde senkte er den Blick. »Den Rest können Sie sich denken.«
    Â»Sie hat sie hinausgeworfen.«
    Â»Drum bin ich dann wieder zu den Nutten, verstehen Sie? Danach ist für ein paar Stunden keine Anita mehr in meinem Kopf gewesen. Danach ist für ein paar Stunden Ruhe gewesen.«
    Für eine Weile war es still. Der Regen schien schwächer zu werden.
    Â»Wo ist es passiert?«, fragte Kettenbach leise.
    Â»Sie hatte eine kleine Wohnung

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