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Eiskaltes Schweigen

Titel: Eiskaltes Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Burger
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meinen bekloppten Nachbarn erstochen zu haben?«
    Â»Ich muss Sie das fragen, tut mir leid. Wie ist Ihr Verhältnis zu Karenkes Partnerin?«
    Â»Irina? Wie schon gesagt, wir waren Nachbarn.« Er räusperte sich. Sah zur Decke, dann in mein Gesicht. »Ich habe sie gemocht. Und ich mag sie noch immer. Irina war nicht glücklich in ihrer Beziehung da drüben. Karenke war dreißig Jahre älter als sie. Herrschsüchtig bis zum Gehtnichtmehr, und nach den ersten verliebten Wochen hat er in Irina nur noch ein hübsches Accessoire gesehen und jemanden, den er herumscheuchen konnte.«
    Â»Beruhte die Sympathie auf Gegenseitigkeit?«
    Der Architekt lächelte kaum merklich. »Sehen Sie, Irina ist eine merkwürdige Frau. Stolz. Sehr stolz. Und sie hat wohl manches erlebt, was dazu führt, dass sie Menschen nicht so leicht an sich heranlässt.«
    Ich ließ die merkwürdige Antwort auf sich beruhen und fragte nach den anderen Nachbarn, landete schließlich wieder bei Karenkes Streitsucht und Rechthaberei. Am Ende war ich so klug wie zu Beginn. Schließlich verabschiedete ich mich.
    Inzwischen war es draußen Nacht geworden, und ein gemeiner Nieselregen hatte eingesetzt. Ich hatte etwas entfernt parken müssen, da kein anderer Platz frei gewesen war, und mein Schirm lag natürlich im Wagen. John Karenkes Haus ruhte als drohender dunkler Klotz mit schwarzen Fenstern am Hang über mir. Während ich zum Wagen ging, schien der Regen stärker zu werden, und meine Schritte beschleunigten sich. Als ich etwa fünfzig Meter gegangen war, hörte ich Firlei rufen. Er stand in der hell erleuchteten Tür seines Hauses und winkte. Seufzend machte ich kehrt.
    Â»Sie finden es ja sowieso heraus«, sagte er, als wir uns wieder gegenüberstanden. »Deshalb sage ich es Ihnen lieber aus freien Stücken: Meine Frau hat mich nicht nur verlassen, weil ich angeblich mit meiner Arbeit ins Bett gehe. Das war nur die halbe Wahrheit.«
    Â»Ich nehme an, die andere Hälfte heißt Irina?«
    Ãœberrascht sah er mich an.
    Ich lächelte. »Es war nicht schwer zu erraten. Hat Karenke davon gewusst?«
    Â»Elvi, meine Frau, hat uns mal zusammen erwischt«, sagte der Architekt mit plötzlich weicher Stimme. »Auf der Couch, auf der Sie eben saßen, am hellen Nachmittag. Nein. Karenke hat wohl nichts gewusst. Jedenfalls hat er Irina gegenüber nie entsprechende Bemerkungen gemacht. Andererseits – er war natürlich auch nicht dumm.«
    Â»Seit wann lief das schon zwischen Ihnen?«
    Â»Um ehrlich zu sein … ich habe mich fast in der ersten Sekunde in sie verliebt. Irina ist eine unglaublich bezaubernde Frau. Eine sehr weibliche Frau. Aber es hat ein ganzes Jahr gedauert, bis ich erfuhr, dass es ihr nicht anders ging. Davor haben wir uns manchmal gesehen und gesprochen, mehr nicht. Mal über den Zaun, mal auch hier im Haus, wenn es wieder was zu schlichten gab. Und dann, es war im Sommer vor drei Jahren, da ist es passiert. Meine Frau war mit den Kindern an der Ostsee. Sie stammt von da oben, und ihre Eltern haben ein Häuschen auf Usedom. Und eines Nachmittags, es war ein gewittriger Tag, unglaublich schwül, und es hatte eben zu schütten begonnen. Karenke hatte mir mal wieder die Ehre eines seiner unflätigen Anrufe zuteil werden lassen, weil mein Wagen angeblich die Einfahrt blockierte, und da steht Irina vor der Tür, pitschnass, lachend, mit offenem Haar. Man denkt ja immer, so was gibt’s nur im Kino.« Er hüstelte, lächelte, wurde wieder ernst. »Was soll ich sagen? Wir haben uns die Hand gegeben. Ich habe sie gefragt, ob sie was trinken will. Sie hat den Kopf mit den triefenden Haaren geschüttelt, und auf einmal ist die Zeit stehen geblieben. Ich konnte einfach ihre Hand nicht mehr loslassen.«
    Firlei betrachtete seine breiten, blassen Hände, als würde noch ein wenig Erinnerung daran kleben.
    Â»Es hat nur ein knappes Jahr gedauert, dann war es vorbei. Von einem Tag auf den anderen wollte sie nicht mehr. Hat ziemlich wehgetan. Elvi hatte mich schon verlassen, und ich saß ganz schön dumm da. Und dennoch habe ich Karenke nicht umgebracht. Weshalb sollte ich? Und was hätte ich davon?«
    Die letzten Meter zu meinem Peugeot rannte ich, weil der Regen mit jeder Sekunde weiter zunahm. In der Eile bekam ich den Schlüssel nicht gleich ins Schloss. In der Nähe klappte eine Autotür,

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