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Eiskaltes Schweigen

Titel: Eiskaltes Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Burger
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besorgte Mann sich warm angezogen und war ihr trotz Fieber und Schnupfen entgegengelaufen.
    Um siebzehn Uhr zweiundvierzig hatten die Karlsruher Kollegen vom Tod der Rechtsanwältin erfahren.
    Die Leiche lag nur einen halben Kilometer von ihrem Zuhause entfernt an einem Zaun neben der üblichen Laufstrecke des Paars, erfuhr ich von Petzold am Telefon. Noch war natürlich nichts sicher, aber nach dem ersten Augenschein war auch sie erstochen worden. Balke organisierte einen Wagen, und wir machten uns wieder einmal auf den Weg in Richtung Süden.
    Von Westen her ging ein unruhiger Wind mit scharfen Böen. Es roch nach Moder und Regen. Die Kollegen hatten erst vor wenigen Minuten die mit einem grün-weißen Jogginganzug bekleidete Tote auf den Rücken gedreht. Drei Lichtmasten beleuchteten die Szene. Hinter einem hohen Zaun klapperten Takelagen von Segelbooten im Wind. Nördlich von uns lag ein großer Baggersee, und jenseits des Zauns befand sich ein kleiner Yachthafen. Etwas entfernt brummte ein Stromgenerator, und manchmal wehte der Gestank von Dieselabgasen zu uns herüber. Ein Arzt war eben dabei, die Leiche einer ersten Untersuchung zu unterziehen.
    Â»Erstochen«, bestätigte er schließlich, was alle längst wussten, und richtete sich mühsam auf.
    Die Tote war schlank, fast mager. Das kalkweiße Gesicht wirkte selbst jetzt, im Tod, noch energisch. Aus dem Mundwinkel sickerte immer noch Blut. Ich schlang die Arme um meinen Oberkörper und trat von einem Fuß auf den anderen. Dabei war ich erst vor wenigen Minuten aus dem warmen Wagen gestiegen. Petzold hatte uns inzwischen entdeckt und kam auf uns zu.
    Â»Schon irgendwas Konkretes?«, fragte ich.
    Â»Der Mann da drüben«, er deutete auf einen ebenfalls frierenden Rentner, »wohnt gleich am Ortseingang. Und er will einen Wagen gesehen haben, der ungefähr um zehn nach halb fünf vom Rhein her in den Ort reingefahren ist. Ein kleiner Opel, meint er, oder ein Ford. Das Kennzeichen hat er natürlich nicht gesehen, und das Auto ist ihm überhaupt nur aufgefallen, weil es ohne Licht unterwegs war. Erst hundert Meter weiter habe der Fahrer dann das Licht eingeschaltet.«
    Â»Besser als nichts«, sagte ich und berichtete ihm von den DNA-Spuren in Karenkes Haus.
    Petzold nickte ernst, den Blick die ganze Zeit auf die Tote gerichtet, und mir war nicht klar, ob er den Sinn meiner Worte verstanden hatte.
    Â»Wir lassen zurzeit die Anwohner der Straße abklingeln«, sagte er. »Möglich, dass das Auto auch noch anderen Leuten aufgefallen ist. Obwohl, wer guckt schon aus dem Fenster bei diesem Mistwetter …« Er schenkte den tief hängenden Wolken einen grimmigen Blick. »Hoffentlich fängt’s nicht auch noch an zu regnen.«
    Eine dunkelhaarige Frau mittleren Alters sprach einige Meter entfernt leise mit einem älteren, hoch gewachsenen Herrn in warmem Jogginganzug, der als zusätzlichen Schutz gegen die Kälte eine Wolldecke über die Schulter gelegt hatte. Hin und wieder machte die Kollegin sich Notizen. Ich trat näher und hörte zu. Wie ich vermutet hatte, handelte es sich bei dem Mann um den Ehegatten der Toten. Sein Gesicht war grau wie alter Schnee.
    Â»Sie ist heute das erste Mal wieder los«, hörte ich ihn mit bebender Stimme sagen. »Wenn sie doch nur auf mich gehört hätte! Aber nein …«
    Â»Das heißt, die letzten Tage ist sie nicht gelaufen?«
    Â»Sie durfte nicht. Sie hat seit Ewigkeiten schon Probleme mit dem rechten Knie. Der Arzt hatte ihr striktes Laufverbot erteilt, für mindestens ein Vierteljahr. Aber meine Yvonne – nein, sechs Wochen, und sie ist nicht mehr zu halten. Da konnte man reden und reden …« Er schlug die Hände vors Gesicht. »Sie konnte so schrecklich dickköpfig sein«, schluchzte er. »Sie wollte einfach nicht hören. Nicht auf ihren Orthopäden und nicht auf mich.«
    Die Kollegin beendete das Gespräch und übergab den Mann in die Obhut eines Notarztes, der schon eine Weile ungeduldig neben ihr gestanden hatte. Sie klappte ihr Notizbuch zu und wandte sich um.
    Â»Sie hat noch gelebt, als er sie gefunden hat«, sagte sie. »Und sie hat noch was gesagt.«
    Â»Was?«, fragten Petzold und ich gleichzeitig.
    Â»Ein Wort. Sie hat’s dreimal wiederholt, aber er hat’s trotzdem nicht verstanden. ›Duchon‹ oder ›Turchon‹ oder

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