Eiskaltes Schweigen
so.«
Wir wechselten ratlose Blicke.
»Die Lebensgefährtin des zweiten Opfers heiÃt mit Nachnamen Durian«, fiel mir ein. »Aber ich kann mir eigentlich nicht vorstellen, dass sie mit einem Messer in der Hand herumläuft und wahllos Menschen ersticht.«
Im Lauf der folgenden Stunde wurden meine FüÃe zu Eisklumpen, und es meldeten sich drei weitere Personen, die zur fraglichen Zeit einen Wagen gesehen haben wollten. Wir hatten die Wahl zwischen einem tannengrünen Opel Corsa, einem dunkelblauen Ford Fiesta mit klapperndem Auspuff und einem eisengrauen Citroën C4. Ein junger, offenbar geistig verwirrter Mann beharrte darauf, einen Lieferwagen gesehen zu haben. Auf die Frage nach der Farbe antwortete er abwechselnd âºdunkelblauâ¹, âºschwarzâ¹ oder âºweiÃâ¹. Es war zum Schreien.
Immerhin gelang es den Karlsruher Kollegen, in der Nähe des Fundorts eine Reifenspur zu sichern, die uns möglicherweise weiteren Aufschluss über den Wagen liefern würde. Nach der Breite des Reifens zu schlieÃen, passte sie jedoch in keinem Fall zu einem Kleinwagen.
Wieder zog sich die Schlinge ein Stückchen weiter zu.
Erst als wir wieder in unseren Wagen stiegen, fiel mir auf, dass Balke die ganze Zeit kaum etwas gesagt hatte.
»Eines ist klar«, meinte er, als er den Motor startete, »den Hundebiss hat er überlebt. Und das Messer hat er auch wieder mitgenommen. Ich fürchte, wir sind noch nicht am Ende.«
»Eine arbeitlose Bankangestellte, ein zänkischer Juwelier im Ruhestand, eine Marathon laufende Rechtsanwältin«, zählte ich ratlos auf. »Ich finde einfach kein System darin.«
»Anscheinend konzentriert sich die Sache mehr und mehr auf den Raum Karlsruhe.« Balke bog auf die B36 ein, wo immer noch dichter Berufsverkehr herrschte, und nieste. »Was halten Sie davon, wenn wir den Fall abgeben?«
»So kurz vor der Aufklärung? Wir wären ja verrückt!«
Bald waren wir auf der Autobahn. Nach wenigen Kilometern steuerte Balke überraschend einen Parkplatz an.
»Was ist?«, fragte ich. »Weshalb halten Sie?«
Der Wagen kam schlingernd zum Stehen. Balke sank über das Lenkrad und legte den Kopf zwischen die Hände.
»Mir ist so übel«, hörte ich ihn mit dumpfer Stimme sagen. »Könnten Sie bitte weiterfahren?«
Zu Hause angekommen, fand ich den dritten Brief. Nun war klar, dass der Täter sich einen perversen Spaà daraus machte, mir zu jedem seiner Morde eine Karte mit einem Bibelzitat zu schreiben. Er musste das Ding bereits am Samstag abgeschickt haben, damit es heute pünktlich im Briefkasten lag.
Ich hoffte auf Gutes, doch Böses kam , las ich. Ich harrte auf Licht, doch Finsternis kam.
Diesmal hatte er sogar die Quelle daruntergeschrieben: Hiob 30,26.
Was wollte er mit seinen frommen Sprüchen bezwecken? Mir fiel nur eine Erklärung ein: sich wichtig machen. Er wollte zeigen, dass er die Sache in der Hand hatte, dass er nach Belieben mit mir spielen konnte. AuÃerdem war er eitel, wünschte Aufmerksamkeit. Vielleicht wäre es eine gute Strategie, ihm die Möglichkeit eines Gedankenaustauschs anzubieten? Ihn auf diese Weise aus der Reserve zu locken? Ich fischte die beiden ersten Briefe aus dem Papierkorb, den ich zum Glück seit Wochen nicht geleert hatte, und beschloss, alle drei morgen ins Labor zu bringen. AuÃerdem würde ich sie in der Presseerklärung zum dritten Mord erwähnen. Er sollte wissen, dass ich verstanden hatte und auf sein nächstes Zeichen wartete.
19
Am Dienstagmorgen, sechzehn Tage nach dem ersten Mord, empfing mich Sönnchen mit strahlender Miene. Aus Wiesbaden war vor wenigen Minuten ein Fax gekommen, das sie mir überreichte wie ein Geschenk. Was es auch war, wie ich rasch feststellte.
Die DNA des Täters befand sich tatsächlich in den Datenbanken des BKA.
Der Name des dreifachen Mörders lautete Michael Durian.
Durian hatte vor neun Jahren in Karlsruhe-Knielingen eineBank überfallen, war verhaftet und zu zwölf Jahren verurteilt worden. Zwei Drittel der Zeit hatte er in der JVA Bruchsal verbüÃt, und erst kürzlich war er wegen guter Führung und vorzüglicher Prognose vorzeitig entlassen worden. Seither wohnte er wieder in Karlsruhe unter Aufsicht eines Bewährungshelfers. Der hatte ihn allerdings seit etwa drei Wochen nicht mehr gesehen und auch bereits vorschriftsmäÃig Meldung
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