Eiskaltes Schweigen
»Nur noch abwärts. Michael hat immer neue hirnlose Pläne geschmiedet, wie er wieder zu Geld kommt. Er wollte mich zurückgewinnen, mit allen Mitteln. Er hat gebettelt, mir die Sterne am Himmel versprochen, gedroht, am Ende. Und irgendwann hat er dann diesen Unsinn mit dem Banküberfall gemacht.«
»Ich erinnere mich an den Fall«, fiel mir plötzlich ein. »Ich war damals selbst am Tatort und habe mit ihm verhandelt, per Telefon. Er hat fast zweihunderttausend Euro erbeutet, drei oder vier Geiseln genommen und so gut wie alles falsch gemacht, was ein Bankräuber falsch machen kann.«
»Er hat einfach keinen Sinn fürs Praktische.« Irina Durian sah mich an, aber sie sah mich nicht. »Am nächsten Tag saà er im Gefängnis, und das war dann das Ende.«
»Leider nicht ganz, wie wir jetzt sehen.«
»Wer ist sein drittes Opfer? Sie sprachen am Telefon von drei Morden.«
»Eine Anwältin. Dr. Böttcher-Larue. Sagt Ihnen der Name etwas?«
Erschöpft schüttelte sie den Kopf mit den dunklen Locken, wischte sich wieder die Augen. »Es ist alles so lange her. Vielleicht hat sie ihn im Prozess vertreten?«
»Wir brauchen Fotos von ihm. Die, die wir haben, taugen nichts.«
»Ich kann Ihnen leider keine geben. Ich habe alles verbrannt, was mit Michael zu tun hatte. In den ersten Wochen mit Johnhabe ich alles im Kamin verbrannt, was mich an ihn hätte erinnern können.«
»Aber Sie haben sich nie von ihm scheiden lassen.«
»Ich hätte es nicht ertragen«, erwiderte sie mit gesenktem Blick. »Ich â¦Â Es hätte alles wieder aufgewühlt. Und vielleicht â¦Â Ja, vielleicht hatte ich auch ein zu schlechtes Gewissen Michael gegenüber.«
»Wo könnte er sich versteckt halten? Gibt es Verwandte, zu denen er Vertrauen hat? Freunde?«
»Freunde? Michael?« Ihr Lachen klang hilflos und traurig. »Doch, es gibt einen: Sebastian. Den Nachnamen weià ich nicht mehr. Sie haben zusammen studiert und wollten den Verlag anfangs gemeinsam gründen. Aber Sebastian war nicht so ein Träumer wie Michael. Später ist er Journalist geworden, habe ich einmal gehört. Bei einer Mannheimer Zeitung.«
Vangelis machte sich eine weitere Notiz.
»Hat Ihr Mann Lieblingsorte? Würde er sich eher im Wald verstecken oder in der Stadt? Würde er die Einsamkeit suchen oder die Nähe von Menschen?«
»Im Wald hat Michael sich immer gefürchtet.«
Michael Durians früherer Freund war rasch gefunden. Er hatte seit Ewigkeiten nichts mehr von ihm gehört und wusste nicht einmal, dass sein ehemaliger Kommilitone im Gefängnis gesessen hatte.
Um Durians Bewährungshelfer zu treffen, fuhr ich wieder einmal nach Karlsruhe. Vangelis begleitete mich. Unser Gesprächspartner war ein streng riechender Hüne vom Typ Streetworker-Kumpel.
»Der Michael ist irgendwie ein total undurchsichtiger Typ«, begann er, nachdem er sich mit der Vorsicht der stark Ãbergewichtigen gesetzt hatte. Wir befanden uns in seinem winzigen Büro in der Karlsruher RitterstraÃe, das bis unter die Decke mit Akten und Andenken und Vergessenem vollgestopft war. »Solang er im Knast war, ist der so was von angepasst gewesen, das war schon gar nicht mehr normal. Ich hab ja gleich meine Zweifel gehabt, ob seine Prognose wirklich so toll war, wie die Herren Psychologen geschrieben haben. Aber ich bin ja bloÃder Bewährungshelfer, nicht wahr. Ich darf dann bloà die Suppe auslöffeln, die die Herren eingebrockt haben. Und jetzt, was ist jetzt? Jetzt haben wir den Salat.«
»Sie sind also nicht so richtig an ihn herangekommen.«
»Ãberhaupt nicht bin ich an den Michael rangekommen. Der Michael hat zu allem immer nur Ja und Amen gesagt. âºMach ich, Bernd, kein Problem.â¹ Und wenn ich ihn eine Woche später gefragt habe, wie weit er denn nun ist mit seiner Bewerbung, dann hat er immer eine tolle Ausrede gewusst. Was hab ich dem Typ Vorstellungsgespräche organisiert! Er ist ja nicht dumm, er hat studiert, da hätte sich doch was finden lassen. Aber nein, irgendwie â¦Â«
Hilflos seufzend hob er die mächtigen Schultern.
»Wissen Sie, was ich glaub?«, fuhr er nach Sekunden fort. »Ich glaub, der Michael hat von Anfang an nur seinen Rachefeldzug im Kopf gehabt. Der Rest hat den überhaupt nicht interessiert. Der Michael, der hat irgendwie â¦Â ja, was hat
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