Eismond: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition)
Weile. Er versuchte nachzudenken, sich in Daniel hineinzudenken, aber es gelang ihm nicht.
Er dachte an Sanna.
Seit Sannas Tod war Joentaa nur zweimal längere Zeit allein in diesem Zimmer gewesen. Als er erst für Sannas Eltern und dann für Daniel das Bett neu bezogen hatte. Mit neuen Laken.
Die Alten, die ihn an Sanna erinnerten, hatte er weggeworfen.
Er dachte, dass es vorbei war.
Er wandte sich ab und ging, um die Nummer des Finnair-Büros nachzuschlagen. Während er im Telefonbuch blätterte, dachte er, dass er mit Roope sprechen musste. Er musste dem Notarzt sagen, dass Roope den Mann gefunden hatte.
Er hörte von draußen Ketolas durchdringende Stimme. Ketola, ganz abgeklärt, Herr der Lage, erklärte Grönholm und Heinonen, was sie zu tun hatten.
Er hörte das Freizeichen und fragte sich, ob die Sanitäter Vesa Lehmus schon weggebracht hatten.
Eine weiche ferne Frauenstimme nannte ihm Abflugzeiten. Joentaa bedankte sich, die Frau wünschte ihm einen schönen Tag und guten Flug.
»Heute Abend um 17.30 Uhr fliegt eine Finnair-Maschine, Sie können am Flughafen buchen, es ist reichlich Platz«, sagte Joentaa und gab Daniel sein Handy zurück. Daniel saß Roope gegenüber am Küchentisch.
»Was haben Sie gesagt?«, fragte Roope.
»Er fliegt nach Hause, nach Deutschland«, sagte Joentaa und deutete auf Daniel.
»Was?«, fragte Daniel.
»Er wollte wissen, worum es geht, und ich habe ihm gesagt, dass Sie nach Hause fliegen, nach Deutschland.«
Daniel nickte.
»Ich war in Deutschland. In Hamburg, mit der Fähre«, sagte Roope.
»Was sagt er?«, fragte Daniel.
»Dass er in Deutschland war. In Hamburg.«
Daniel nickte, schwieg eine Weile. »Dieser Mann … draußen … wie, sagten Sie, heißt er?«
»Vesa Lehmus.«
»Warum … hat er es getan … warum hat er Jaana umgebracht?«
»Ich weiß es nicht«, sagte Joentaa.
»Es muss doch einen Grund geben!«
»Ich glaube, dass er Jaana gemocht hat«, sagte Joentaa.
Daniel lachte kurz auf. »Natürlich, ganz sicher.«
Daniel atmete tief durch.
Joentaa sah, wie sich ganz langsam sein Gesicht verzerrte.
»Warum weint der Deutsche?«, fragte Roope.
23
Alles wurde sehr schnell ganz klein.
Daniel dachte noch, dass Joentaa irgendwo da unten war, kleiner als ein Strichmännchen, unvorstellbar klein, dann war Finnland verschwunden, und das Flugzeug tauchte in den Wolkennebel.
Der Kapitän sprach in brüchigem Deutsch von Regen, von Plusgraden in Frankfurt, von Stunden und Minuten, von pünktlicher Ankunft.
Daniel hatte Joentaa die Hand gegeben.
Joentaa hatte darauf bestanden, ihn zum Flughafen zu fahren, von Turku nach Helsinki, die Fahrt hatte gut zwei Stunden gedauert, und sie hatten gut zwei Stunden lang geschwiegen.
Daniel hatte Joentaa die Hand gegeben, und zu seiner eigenen Überraschung hatte er Joentaas Hand eine ganze Weile nicht losgelassen.
Joentaa war jetzt ein kleiner Punkt irgendwo unter dem Nebel. Alles, das Strandcafé, das Haus im Wald, der Eissee, sein Foto auf dem Nachttisch und der Mann an der Tür, alles zusammen war jetzt so klein, dass er es nicht mehr würde sehen können, selbst wenn er so genau hinsah, wie er konnte, hier in der Luft, im Schweben, im Fliegen, war alles auf null reduziert.
Er musste sich keine Gedanken mehr machen.
Er hatte Marion nicht angerufen.
Er würde das gleich nach der Landung in Frankfurt machen.
Marion würde ihn anschreien, weil er sich nicht gemeldet hatte.
Marion würde sich freuen.
Die Stewardess bot ihm ein Getränk an, aber er lehnte ab.
Der Platz neben ihm war frei. Das Flugzeug war spärlich besetzt.
Es war angenehm, dass niemand neben ihm saß, das gab ihm Gelegenheit, einfach nur nachzudenken.
Er musste sich auf das konzentrieren, was vor ihm lag.
Marion.
Oliver, den er besänftigen würde, es würde ganz leicht sein.
Er wollte Marion anrufen, er ärgerte sich, dass er das nicht vor dem Abflug gemacht hatte, er wollte ihre Stimme hören, sichergehen, dass bei ihr alles in Ordnung war.
Marion würde fragen, wie es gewesen war, warum er sich nicht gemeldet hatte.
Er würde ihr nichts verschweigen. Er würde alles sagen, alles, was er wusste, er würde den Flug nutzen, um sich über alles klar zu werden.
Marion würde schockiert sein, wenn er von dem Mann erzählte, der erfroren war, und von der Wohnung im Kerzenlicht.
Die Stewardess wollte ihm Essen servieren, aber er lehnte ab.
Kurz bevor sie sich getrennt hatten, hatte Joentaa nach der Wohnung gefragt, nach der
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