Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eismond: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition)

Eismond: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition)

Titel: Eismond: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Costin Wagner
Vom Netzwerk:
klargemacht hatte, dass er selbst auf dem Sofa schlafen wollte und ihnen gern das Schlafzimmer überließ. Er war kurz davor, die Geduld zu verlieren, als Merja mehrfach bat, er solle keine Umstände machen.
    Er bezog das Bett neu. Er versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, wie schwer es ihm fiel, das Laken, auf dem Sanna geschlafen hatte, ihre Decke und ihr Kissen anzufassen. Er legte die Bettwäsche in die oberste Schublade des Kleiderschranks.
    Er wartete, bis Merja und Jussi gegangen waren. Es schien ihm eine Ewigkeit zu dauern, bis sie endlich hinter der Schlafzimmertür verschwanden.
    Er wollte Elisa, Sannas beste Freundin, anrufen. Er sah auf die Uhr und stellte fest, dass es eigentlich zu spät war, möglicherweise schlief sie schon. Er war erleichtert, einen Grund zu haben, nicht anzurufen, aber er zwang sich, dennoch zu wählen. Er drückte schnell die Tasten und vermied es, darüber nachzudenken, in welche Worte er Sannas Tod kleiden sollte.
    Elisa nahm nach dem dritten Klingeln ab. Er glaubte, ihrer Stimme anzuhören, dass sie geschlafen hatte. Sie schien sich über seinen Anruf zu freuen und sagte, dass sie Sanna besuchen wolle. Sie habe jetzt endlich wieder ein bisschen Luft.
    Sie sprach von Stress im Büro.
    »Sanna ist gestorben«, sagte Joentaa.
    Er wartete darauf, dass Elisa reagierte. Die Stille zog sich in die Länge. Er stellte sich vor, dass sie nie enden würde, und er dachte, dass er diese Stille, diese Sprachlosigkeit hasste.
    Er fragte sich, warum niemand lachte … warum ihn niemand auslachte, warum niemand ihn anschrie und als Lügner entlarvte.
    Er versuchte, Sannas Tod auch für Elisa so zu beschreiben, dass die Vorstellung erträglich wurde. Er erzählte, dass sie keine Schmerzen gehabt, dass sie geschlafen habe, und fragte sich, warum er das tat. Warum ausgerechnet er andere schonen und trösten sollte … andere, die nicht einmal erahnen konnten, was in ihm selbst vorging …
    Am Ende fragte Elisa, wann Sanna beerdigt werde, und er versprach, ihr Bescheid zu geben, sobald der Termin feststand. Als er auflegte, begann wieder das Flimmern vor den Augen. Er stand auf, holte die Decke und das Kissen, die er zur Seite gelegt hatte, um für Sannas Eltern Platz auf dem Sofa zu schaffen.
    Er war zu müde, um sich zu waschen.
    Er löschte das Licht und legte sich auf das Sofa.
    Durch die breite Fensterfront sah er den See im Mondlicht liegen.
    Kurz bevor er einschlief, tauchte er in das schwarze Wasser.

17
    Joentaa hörte den grellen Ton in weiter Ferne. Er wollte aufwachen, aber es war nicht möglich. Der Schlaf drückte ihn fest auf den Grund eines Traumes, den er nicht begriff.
    Es war ein quälender Traum.
    Er sah die Oberfläche des Wassers, die so weit entfernt war, dass er sicher war zu ersticken.
    Er hörte eine Stimme, die ihn rief.
    Als er aufwachte, hatte er panische Angst vor dem Tod.
    »Telefon!«, schrie Jussi, der sich über ihn beugte und ihn hin- und herschüttelte.
    »Was …«
    »Das Telefon klingelt.«
    Er sprang auf, seine Beine knickten ein. Jussi reichte ihm den Hörer.
    »Hallo … Joentaa«, sagte er.
    Es war Grönholm.
    »Kimmo, es tut mir leid, du musst aufstehen.«
    »Was ist?«, fragte Joentaa.
    »Ein junger Mann ist ermordet worden. In der Jugendherberge.«
    »Was …«
    »Ketola steht völlig neben sich. Der schreit hier nur rum.«
    »Was ist denn genau passiert? Wisst ihr schon etwas?«
    »Nicht viel. Der Mann wurde offensichtlich zunächst betäubt. Es roch nach Chloroform. Und da er vermutlich geschlafen hat, meinte Laukkanen, dass ihn sein Tod an die Frau in Naantali erinnere. Die Betäubung würde dann darauf hinweisen, dass der Täter den möglichen Widerstand des Mannes höher einschätzte als den der Frau.«
    Joentaa hatte das Gefühl, der Boden gleite unter seinen Füßen weg.
    Er sah Jussi an, der ratlos und mit besorgter Miene neben ihm stand.
    »Ich fahre gleich los«, sagte er. »In der Jugendherberge? Ist das noch die alte im Aurakatu?«
    »Ja.«
    »Bis gleich.« Er legte auf.
    »Was ist denn los?«, fragte Jussi, der hinter ihm herlief, während er in der Dunkelheit nach seinen Kleidern suchte.
    »Mach bitte das Licht an«, sagte er.
    »Was ist denn?«
    »Ein Mann wurde in der Jugendherberge ermordet … es tut mir leid, ich muss gleich los.« Er sammelte seine Kleider ein und zog sich innerhalb von Sekunden an. Er sah Merja im Türrahmen vor dem Schlafzimmer stehen. »Ich erkläre euch später alles«, rief er. »Geht bitte wieder schlafen.«

Weitere Kostenlose Bücher