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Eismond: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition)

Eismond: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition)

Titel: Eismond: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Costin Wagner
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verbrannt und erfroren.
    Er war viel größer gewesen als jetzt.
    Er war unsterblich gewesen.
    Damals hatte er das Wasser nicht gespürt, jetzt war es kalt. So kalt, dass es ihm Angst machte.
    »Du wirkst unentschlossen«, rief Jaana und zog ihn am Arm.
    »Hör auf!« Er schrie.
    Jaana ließ seinen Arm los. »Schon gut«, sagte sie. »Ganz ruhig.«
    »Tut mir leid«, sagte er.
    Jaana musterte ihn einige Sekunden misstrauisch, dann lächelte sie wieder. »Hast du Angst vor kaltem Wasser?«, fragte sie, und er schüttelte den Kopf.
    Mit zwei Armzügen war sie bei ihm. Er spürte ihre glatte kalte Haut, als sie ihn umarmte.
    »Jetzt sind wir schon so weit, dass du mir sagst, wovor du keine Angst hast. Also kannst du mir auch sagen, wovor du Angst hast.«
    Er suchte ihre Augen im Dunkel.
    »Was hast du in der Nacht gemeint, als du gesagt hast, du hättest Angst vor allem?«
    Er löste sich aus ihrer Umklammerung und tauchte unter.
    Er ließ sich fallen, bis er das Gefühl hatte, sein Kopf würde platzen.
    »Was soll das?«, schrie Jaana, als er nach einer Ewigkeit wieder auftauchte. »Macht dir das Spaß?«
    Es gefiel ihm, dass Jaana sich Sorgen gemacht hatte. Er fragte sich, was sie getan hätte, wenn er nicht mehr aufgetaucht wäre.
    »Wer ist Daniel?«, fragte er.
    »Wovor hast du Angst?«
    »Du zuerst.«
    Jaana verzog das Gesicht und schwamm auf dem Rücken liegend von ihm weg. Als sie einige Meter entfernt war, begann sie zu sprechen. »Daniel ist heute, wenn er noch lebt, neunundzwanzig Jahre und zweiundsiebzig Tage alt. Er ist Deutscher. Als ich ihn kennengelernt habe, hat er Philosophie studiert, aber das war vor neun Jahren, was er heute macht, weiß ich nicht.«
    »Und?«
    »Und was?«
    »Und weiter.«
    »Du bist dran.«
    Sie schwamm auf ihn zu, griff nach ihm, aber Vesa wich aus und tauchte, bis der Abstand zwischen ihnen so groß war wie zuvor.
    »Warum ist Daniel wichtig für dich?«, rief er.
    »Er ist nicht wichtig für mich.«
    »Warum hängen seine Fotos in deiner Wohnung?«
    »Sagen wir, sie hängen da, um mich immer daran zu erinnern, dass es Idioten gibt, die richtig nett aussehen.«
    »Warum ist Daniel ein Idiot?«
    Jaana lachte. »Du bist unglaublich«, rief sie und schwamm Richtung Ufer. Vesa tauchte und holte sie schnell ein. Er griff nach ihr und zog sie unter die Oberfläche. Er suchte ihre Lippen und umschlang sie fest mit seinen Armen.
    Erst als sie am Ufer waren, löste sie sich aus der Umarmung. Sie fuhr ihm mit der Hand durch die Haare, wandte sich ab und zog sich an.
    Er sah ihr zu.
    Er erahnte im Dunkel die Konturen ihres Körpers.
    Er fror.
    Er genoss es zu frieren.
    »Würdest du sagen, dass ich auch ein Idiot bin?«, fragte er.
    »Immerhin bist du idiotisch genug, bei dieser Kälte schwimmen zu gehen. Wieso fragst du?«
    »Wenn ich ein Idiot bin, kannst du ja ein Foto von mir in deine Wohnung hängen.«
    Jaana lachte.
    »Es müsste vielleicht erst eins gemacht werden«, sagte er. »Auf den meisten ist Tommy mit drauf.«
    »Komm«, sagte sie und ging.
    Er folgte ihr.
    Sie hatte nicht nachgehakt. Für einen Moment hatte er gedacht, sie werde ihn drängen, werde ihn zwingen, zu reden, und alles kaputt machen, aber sie hatte es nicht getan.

20
    Als sie in ihrer Wohnung waren, machte sie ein Foto von ihm. Sie überraschte ihn. Er kam gerade aus dem Badezimmer und trocknete mit einem Handtuch seine Haare, als sie auf den Auslöser drückte.
    »Erwischt«, rief sie. »Ohne Tommy.« Sie sah auf das Bild, das sich innerhalb von Sekunden entwickelte, und sagte: »Gefällt mir.«
    Sie zeigte es ihm.
    Er sah anders aus, er war sicher, dass er so noch nie ausgesehen hatte. In dem Moment, als er den Blitz gesehen hatte, hatte er gelacht.
    »Ziemlich dumm«, sagte er und fragte, ob er ein Foto von ihr haben könnte. »Ein Richtiges.«
    »Ein Richtiges?«
    »Ein Schönes, nicht so eins.« Er zeigte auf das Polaroidfoto.
    »Klar.« Jaana wühlte in einer Schublade und warf ihm einige Umschläge hin. »Such dir eins aus. Aber Vorsicht. Auf den meisten sehe ich genauso aus wie du auf diesem hier.« Sie wedelte mit dem Polaroidfoto.
    Vesa schaute sich die Fotos an. Jaana sah gut aus, sie grinste in die Kamera und machte ungewöhnliche Sachen: Jaana an einer Steilwand, Jaana auf einem Surfbrett, Jaana mit einem Fallschirm, gerade gelandet.
    »Du bist sportlich«, sagte Vesa. »Fallschirmspringen?« Er zeigte ihr das Foto. Jaana nickte. »Vielleicht das Schönste, was man sich vorstellen kann«, sagte sie.

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