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Eismond: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition)

Eismond: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition)

Titel: Eismond: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Costin Wagner
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ausgerechnet bei ihr die Ruhe gefunden hatte, die ihm weder seine Verwandten noch seine Freunde hatten geben können.
    Er setzte sich abrupt auf, um den Gedankenfaden zu zerreißen, nahm das Handy aus der Jackentasche und wählte die Nummer seines Büros. Er schloss die Augen und versuchte, sich auf Ketolas Geschrei vorzubereiten. Zu seiner Überraschung und Erleichterung nahm Heinonen ab.
    »Kimmo, wo bist du?«, fragte er, und Joentaa glaubte mehr Besorgnis als Verärgerung herauszuhören.
    »Ich bin … auf dem Weg zurück nach Turku. Ich war in Stockholm.«
    »In Stockholm? Wegen Johann Berg?«
    »Hm, ja. Ich habe mit Annette Söderström gesprochen …«
    »Aber wir wussten nichts davon. Das war doch gar nicht geplant.«
    »Ja, ich weiß, es tut mir leid, ich musste einfach weg … im Moment ist bei mir alles ein wenig kompliziert …«
    »Ich verstehe schon«, sagte Heinonen, und Joentaa dachte, dass Heinonen bewundernswert verständnisvoll war. Mit Sicherheit hatte vor allem Heinonen die Wut zu spüren bekommen, die Ketola eigentlich auf ihn gerichtet hatte.
    »Du musst dich morgen natürlich auf einen ziemlich verärgerten Chef gefasst machen. Ketola war stinksauer, als du nicht kamst und nirgendwo zu erreichen warst.«
    »Tut mir leid. Ich hoffe, ihr habt darunter nicht allzu sehr gelitten.« Er sah auf die Uhr und stellte sich Heinonen vor, der um kurz vor neun als Letzter im Büro saß.
    »Halb so wild«, sagte Heinonen.
    »Gibt es was Neues?«
    »Nicht wirklich. Wobei …«
    »Ja?«
    »Wir wissen jetzt, wer dieser Deutsche ist, dessen Foto bei Jaana Ilander auf dem Nachttisch gestanden hat. Er heißt … Moment … Daniel Krohn und wohnt vermutlich in … Wiesbaden. Er ist nach Lage der Dinge stolzer Besitzer einer Zweizimmerwohnung am Strand von Naantali.«
    »Was?«
    »Wir haben ein Testament gefunden, in dem Jaana Ilander ihm ihre Wohnung hinterlässt.«
    »Jaana Ilander hat ein Testament gemacht?«
    »Ja. Wir wissen noch nicht, ob es rechtswirksam ist, aber es scheint so.«
    »Wieso hat sie ein Testament gemacht? Sie war doch erst Mitte zwanzig … höchstens.«
    »Fünfundzwanzig«, sagte Heinonen, und Joentaa stockte der Atem, als ihm klar wurde, wie unsinnig der Satz war, den er gerade gesagt hatte.
    Sanna war auch fünfundzwanzig gewesen.
    »Sie hat das Testament wohl schon vor sechs Jahren gemacht, als sie gerade die Wohnung gekauft hatte.«
    »Das ist erstaunlich«, sagte Joentaa.
    »Das fand Ketola auch. Er meint, dass wir versuchen sollten, mit dem Mann Kontakt aufzunehmen.«
    »Ich mache das«, sagte Joentaa. »Hast du schon eine Nummer?«
    »Nein, die alte Adresse stimmt wohl nicht mehr …«
    »Sag mir noch mal den Namen.«
    »Daniel Krohn. Vor sechs Jahren wohnte er dem Testament zufolge in Wiesbaden. Willst du den jetzt noch anrufen?«
    »Vielleicht.« Joentaa verabschiedete sich einsilbig. Er wusste nicht, warum, aber er wollte den Mann tatsächlich sofort anrufen. Warum hatte Jaana Ilander ihm eine Wohnung hinterlassen, und warum stand sein Foto auf ihrem Nachttisch, wenn sie sich seit Jahren nicht gesehen hatten? Das hatte zumindest die Inhaberin des Cafés gesagt, und die musste es eigentlich wissen.
    Es kostete ihn rund zehn Minuten, die Nummer herauszufinden. In Wiesbaden wohnten einige Menschen namens Krohn, aber nur einer hieß Daniel.
    Joentaa starrte auf den Zettel, auf dem er den Namen und die Nummer notiert hatte. Er fragte sich, was er von diesem Mann wollte. Er fragte sich, warum er diesem Mann unbedingt mitteilen wollte, dass Jaana Ilander nicht mehr lebte, dass sie gestorben war, bevor er nach Finnland gekommen war, um sie noch einmal zu sehen.

25
    Vesa tastete sich am Eis entlang.
    Das Wasser war so kalt, dass er die Kälte nicht mehr spürte.
    Er konnte nicht atmen.
    Er wollte atmen, er wusste, dass er es konnte, können musste, aber es ging nicht.
    Er bekam keine Luft, er spürte, wie die Angst sich über sein Denken legte und ihn lähmte.
    Er tastete sich am Eis entlang und suchte die Oberfläche, an der sein Leben noch einmal ganz von vorn beginnen würde.
    Er erinnerte sich daran, dass er am Grund gelegen hatte.
    Er hatte geschlafen. Erst als er aufgewacht war, hatte er begriffen, dass er nicht atmen konnte.
    Er tastete sich am Eis entlang und spürte, dass er vergeblich suchte. Er würde wieder einschlafen müssen, um weiterleben zu können. Aber wie sollte er einschlafen, wenn er nicht atmen konnte?
    Durch das Eis glaubte er den Himmel zu sehen und weiße Bäume,

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