Eismond: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition)
das jetzt wieder?
»Warum sind Sie nach Stockholm gefahren?«
»Warum sind Sie heute Morgen nach Finnland geflogen?«
Der Polizist lächelte immer noch. Freundlich. Traurig.
Daniel fiel keine Antwort ein.
»Ich muss los«, sagte der Polizist. »Ich werde versuchen, früh wegzukommen … das Sofabett im Wohnzimmer ist übrigens für mich. Sie werden im Schlafzimmer schlafen.«
Daniel nickte, verblüfft.
»Bis nachher«, sagte der Polizist und ging.
Daniel stand eine Weile unentschlossen. Dann schaltete er das Handy ein und wählte seine eigene Nummer, Marions Nummer.
Plötzlich stand der Polizist wieder in der Tür. »Sie können auch mein Telefon nutzen. Ist sicherlich billiger«, sagte er.
»Danke«, sagte Daniel.
Der Polizist nickte und war wieder weg. Daniel brach den Wählvorgang ab und wartete, bis sich das Motorengeräusch des Kleinwagens im Wald verlor.
Er stand eine Weile und ordnete seine Gedanken.
Er wusste nicht, was dieser Polizist von ihm wollte, und er begriff nicht, wieso er nach Finnland gekommen war.
Er verschob den Anruf bei Marion.
Er spielte mit dem Gedanken, Tina überhaupt nicht anzurufen.
Er ging in die Küche und nahm den Auflauf aus dem Ofen. Er hatte tatsächlich Hunger, großen Hunger. Er hatte das Gefühl, eine Ewigkeit nicht gegessen zu haben. Er füllte einen Teller, setzte sich an den Holztisch und sah aus dem Fenster auf die Schneelandschaft.
Er dachte an die Wahlwerbung für den grauen Herrn Glanz, an den Slogan, den er dafür liefern sollte. Er dachte an Oliver, der ungeduldig wartete, aber der Gedanke verging schnell.
Er dachte an Jaana Ilander, er erinnerte sich, wie begeistert sie gewesen war, als sie von Finnland erzählte. Er dachte an den Polizisten, den er nicht kannte und der ihn in seinem Haus einquartiert hatte.
Später würde er diesem Polizisten viele Fragen stellen und darauf bestehen, Antworten zu erhalten.
3
Kimmo Joentaa blieb vor der Tür zum Büro stehen und atmete tief ein.
Am Morgen hatte er noch das Glück gehabt, Ketola nicht zu begegnen, aber jetzt war ihm Grönholm unten am Empfang entgegengekommen und hatte gesagt, dass Ketola inzwischen da sei. »Ich fürchte, dieses Mal ist er richtig böse«, hatte er gesagt, lachend, als sei das eine tolle Nachricht.
Für einige Sekunden versuchte Joentaa, sich erklärende Sätze zurechtzulegen, dann verwarf er den Gedanken und öffnete ruckartig die Tür.
»Hallo Kimmo«, sagte Ketola, der über eine Akte gebeugt an seinem Schreibtisch saß und nur kurz aufblickte. »Ich muss gleich mit Nurmela vor die Presse, die Wichser springen jetzt natürlich voll an auf die Geschichte … Heinonen sagte, Sie hätten diesen Deutschen abgeholt. Ist der wirklich schon da?« Das alles im Plauderton.
»Ja. Ich habe ihn gestern angerufen und …«
»Warum eigentlich?«, fragte Ketola.
»Was …«
»Warum haben Sie ihn angerufen? So wichtig ist der Mann wohl nicht, vorausgesetzt, er war zur Tatzeit zu Hause in Deutschland. Und Sie haben doch gestern sowieso freigehabt … kleiner Ausflug nach Schweden …«
»Ja, ich wollte deswegen ohnehin mit Ihnen …«
»Wissen Sie was, vergessen Sie’s.«
»Wie bitte?«
»Vergessen Sie’s. Ja, sicher, Sie hätten Bescheid geben können, Ihr Handy war ausgeschaltet, und ich habe eine Streife zu Ihrem Haus geschickt, weil ich Angst hatte, es sei etwas passiert, aber was soll’s.«
Ketola sah ihn nicht an. Er blätterte in der Akte und schien völlig vertieft.
»Ich … Sie haben eine Streife zu meinem Haus …?«
»Heinonen meinte, Sie hätten mit Annette Söderström gesprochen«, murmelte Ketola vor sich hin, als habe er gar nicht gehört, was Joentaa gesagt hatte. »Gab es von der Frau irgendwas Neues zu hören?«
»Nein … nein. Ich …«
»Ja?«
»Es tut mir leid, dass ich mich gestern nicht gemeldet habe. Ich musste einfach weg, es ist schwer zu erklären …«
Ketola unterbrach ihn. »Gestern Vormittag habe ich meinen Sohn ins Krankenhaus gefahren. Er ist … ziemlich hinüber«, sagte er und begann zu lachen, laut, schreiend, hysterisch, bis er sich verschluckte und nach längerem Husten zur Ruhe kam. »Das, Kimmo, ist auch schwer zu erklären, aber das Verrückte ist: Ich bin ganz sicher, dass Sie wissen, wie es mir geht. Und weil Sie wissen, wie es mir geht, weiß ich, wie es Ihnen geht, und deshalb sage ich: Vergessen Sie’s. Kapiert?«
Joentaa nickte langsam.
»Das mit Ihrem Sohn … ich hoffe … was ist mit ihm?«
»Nichts, gar nichts«,
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