Eismond: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition)
telefoniert.«
»Vielen Dank, dass Sie mich abholen.«
»Keine Ursache. Darf ich?« Er nahm den Koffer und ging auf einen dunkelblauen Kleinwagen zu. Bevor sie losfuhren, schien er kurz nachzudenken, dann gab er sich einen Ruck. »Ich wollte Ihnen anbieten, bei mir zu wohnen«, sagte er.
Daniel war zu verblüfft, um gleich zu antworten.
»Natürlich kann ich Sie auch zu einem Hotel bringen …«
»Nein … ich nehme Ihr Angebot gern an … es ist … etwas überraschend …«
Der Mann nickte und fuhr los.
»Ich freue mich, dass Sie gekommen sind«, sagte er nach einer Weile.
Daniel sah den jungen Mann an, den er nicht kannte, der ihm irgendwie sympathisch und unheimlich zugleich war, und er dachte, dass Jaana Ilander es doch noch geschafft hatte. Jaana Ilander hatte es tatsächlich geschafft, ihn ganz gewaltig aus dem Konzept zu bringen.
Er hatte sogar vergessen, nach seiner Ankunft Marion anzurufen. Und Tina.
»Warum?«, fragte er.
Der Polizist wandte sich mit fragendem Blick in seine Richtung.
»Warum freuen Sie sich, dass ich gekommen bin? Sie kennen mich doch gar nicht.«
Der Polizist dachte wieder nach, aufreizend lange.
»Ich freue mich, dass Sie gekommen sind, weil Sie auch andere Möglichkeiten gehabt hätten. Sie hätten zum Beispiel sagen können, dass Sie Frau Ilander und Ihr Testament nicht interessieren. Ich freue mich, dass Sie das nicht gesagt haben.«
»Aber warum freuen Sie sich darüber? Und warum bieten Sie mir an, bei Ihnen zu wohnen?«
Wieder schwieg der Mann.
»Sind Sie überhaupt Polizist?«, fragte Daniel in die Pause.
»Ja, sicher«, sagte der Mann überrascht.
»Während des Fluges dachte ich, das Ganze könnte ein Scherz sein … Jaana wäre das zuzutrauen gewesen.«
Der Polizist sah ihn lange an. »Es tut mir sehr leid, dass Sie diesen Gedanken hatten«, sagte er.
Sie fuhren eine Weile schweigend.
»Sie ist … umgebracht worden«, sagte Daniel schließlich. Der Polizist nickte und lenkte den Wagen stadtauswärts in eine Schneelandschaft. Daniel wusste, dass er noch viele Fragen hatte, aber ihm fiel keine ein. Der Mann bog auf einen Waldweg ab, der Schnee knirschte und klebte an den Rädern, und Daniel dachte, dass es der absurdeste Tag in seinem Leben war.
Er würde Marion anrufen und Tina und Oliver, der in der Agentur sicherlich schon ungeduldig nach ihm fragte. Wo er schon wieder sei, ob er mal wieder seine Denk- und Schreibblockade habe. Er hatte die Unterlagen über den grauen Politiker namens Glanz mitgenommen. Er wusste genau, was er zu tun hatte, er hatte auch schon einen Slogan im Kopf, nur noch nicht ganz griffig, noch nicht ganz ausformuliert.
Aber er hatte die Situation im Griff.
Der Mann neben ihm steuerte den Wagen immer tiefer in den schneeweißen Wald. Links und rechts standen Häuser aus Holz, zwischen den Bäumen blitzte von Zeit zu Zeit das Eis eines zugefrorenen Sees. Daniel dachte, dass Finnland ein wunderschönes Land war, und er erinnerte sich, dass Jaana Ilander genau das gesagt hatte. Finnland sei ein wunderschönes Land, das er unbedingt sehen müsse.
Er würgte den Gedanken ab, indem er fragte, ob sie bald da seien.
»Gleich«, antwortete der Polizist.
Einige Minuten später hielt er unter einem Baum in der Einfahrt eines flachen Holzhauses. Es war ein schönes Haus, aber Daniels erster Gedanke war, dass dieses Haus leer war, tot, er wusste nicht, woher der Eindruck kam.
Er ging hinter dem Polizisten her, der seinen Koffer trug. Für einen Moment dachte er, dass Jaana Ilander hinter der Tür wartete, die der Polizist aufschloss.
Niemand wartete hinter der Tür.
Der Polizist stellte den Koffer im Flur ab und nahm Daniels Mantel. »Ich muss zurück ins Büro«, sagte er, während er den Mantel aufhängte. »Ich habe einen Nudelauflauf gemacht, falls Sie Hunger haben … er steht im Ofen.«
»Vielen Dank«, sagte Daniel und griff instinktiv nach seinem Mobiltelefon. Marion anrufen. Und Tina. Und Oliver. In die Realität zurückkehren.
»Ich muss zu Hause anrufen«, sagte er. »Meine Frau …«
»Sie sind verheiratet?«
Daniel nickte. »Und mein Chef wartet vermutlich schon ungeduldig auf einen Text, den ich heute mindestens in der Rohfassung liefern sollte … ich bin am Morgen einfach geflogen, ohne ihn zu benachrichtigen …«
Der Polizist lächelte.
»Warum lächeln Sie?«
»Ich habe dasselbe getan.«
»Was?«
»Ich bin nach Stockholm gefahren, ohne meinen Vorgesetzten zu informieren.«
Daniel begriff nicht. Was sollte
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