Eismond: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition)
schließen. Er würde sich umwenden und ihr Gesicht sehen.
Sie würde ihn auslachen und ihn fest auf den Mund küssen.
»Worüber lachen Sie?«, fragte der alte Mann.
»Nichts weiter«, sagte Daniel.
Jaana Ilander wartete nicht auf ihn.
Er folgte den Hinweisen, die der finnische Polizist ihm gegeben hatte. Der Polizist, Joentaa, war hellwach gewesen, als er ihn am frühen Morgen angerufen hatte. Er hatte ihm genaue Angaben gemacht, und es stimmte alles: Der Bus nach Turku fuhr an der Haltestelle 11, direkt am Auslandsterminal. Er fuhr um 13.30 und um 14.01 Uhr, und wie der finnische Polizist vermutet hatte, erreichte Daniel gerade rechtzeitig den um 13.30 Uhr.
Während der Reisebus langsam über den Schnee schwebte, dachte er über diesen Polizisten nach, von dem eine merkwürdige Ruhe ausgegangen war. Fast hatte Daniel den Eindruck gehabt, in seiner Stimme schwinge etwas Vorwurfsvolles mit. Natürlich konnte das nicht sein.
Warum hatte ihn eigentlich ein Polizist angerufen und kein Notar oder irgendein Mensch, der Erbschaftsangelegenheiten abwickelte? Und warum sollte Jaana Ilander, die sogar einige Jahre jünger war als er, ein Testament gemacht haben? Er hatte noch nie auch nur für eine Sekunde erwogen, das zu tun.
Je länger er darüber nachdachte, desto stärker wurde wieder der Eindruck, das Ganze sei ein schlechter Witz.
Vermutlich wartete Jaana Ilander am Busbahnhof in Turku.
Er schloss die Augen und versuchte, sich Jaana Ilanders Gesichtszüge in Erinnerung zu rufen. Es gelang nicht. Einmal hatte Jaana Ilander auch Fotos geschickt, in einem der ersten Briefe hatten sie gelegen, er erinnerte sich sehr genau daran, er erinnerte sich an seine Verärgerung. Er hatte den Brief in den Schuhkarton geworfen und die Fotos in den Müll, bevor seine damalige Freundin sie zufällig in die Hände bekommen konnte.
Er versuchte, sich an diese Freundin zu erinnern. Ihr Name war Cornelia gewesen, und er hatte sie seit Jahren nicht gesehen.
Wie der finnische Polizist gesagt hatte, musste er nach einer halben Stunde umsteigen. Der zweite Bus war größer, noch komfortabler und nahezu voll besetzt. Er setzte sich neben eine junge Frau. Sie las ein Buch, dessen Titel aus unzusammenhängenden Buchstaben bestand. Finnisch. Er hatte schon damals gelacht, wenn Jaana Ilander ihm Kostproben ihrer Muttersprache gegeben hatte. Er hatte gelacht und gesagt, dass er diese Sprache ganz sicher niemals verstehen werde. Er hatte gemerkt, dass Jaana Ilander über diese Aussage enttäuscht war, aber es hatte ihn nicht gestört.
Die junge Frau neben ihm gefiel ihm. Sie war hellblond wie Jaana Ilander.
Jaana Ilander war ohne Zweifel außerordentlich reizvoll gewesen.
Er suchte eine entspannende Sitzposition und fragte sich, was er in diesem Bus wollte. Er hatte die Entscheidung, nach Finnland zu fliegen, getroffen, ohne nachzudenken, und er begann, sie zu bereuen.
Was wollte er in Finnland?
Eine Frau in Uniform sprach ihn an in dieser merkwürdigen Sprache, die er nicht verstand.
»Sorry, I don’t speak your language«, sagte er gereizt.
»Your ticket, please.«
Die Dame in Uniform blieb unverbindlich freundlich, was ihn noch mehr reizte. Er hielt ihr das Ticket hin. Die junge Frau neben ihm fragte, woher er komme.
»Germany.«
Sie nickte, lächelte und hatte zu seiner Überraschung keine weiteren Fragen. Sie wandte sich wieder ihrem Buch zu. Er betrachtete sie absichtlich auffällig, das machte er gern, wenn er genervt war, das beruhigte. Hübsch. Helle Haare und große Augen. Ganz ähnlich hatte, wenn er sich recht erinnerte, auch Jaana Ilander ausgesehen.
Er wandte sich ab und sah aus dem Fenster. Minutenlang zogen schneebedeckte Bäume vorbei, in regelmäßigen Abständen unterbrochen von zugefrorenen Seen.
Silber. Grau. Weiß.
»I like your country«, sagte er zu der jungen Frau. »It’s really nice.« Er wusste selbst nicht, was das sollte, ob er es ernst meinte oder ob er sie provozieren wollte.
Die junge Frau sah von ihrem Buch auf und lächelte ihn an.
So ähnlich musste Jaana Ilander gelächelt haben.
Jaana Ilander wartete nicht am Busbahnhof.
Es schneite in dichten Flocken, und ein junger Mann kam auf ihn zu. Er wusste sofort, dass es der Finne war, mit dem er telefoniert hatte. Er spürte, dass dieser Mann nicht Teil eines schlechten Scherzes sein konnte. Dieser Mann wirkte vollkommen authentisch.
Jaana Ilander war tot.
»Herr Krohn?«, fragte der Mann.
»Ja. Sie sind …«
»Kimmo Joentaa. Wir haben
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