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Eismord

Eismord

Titel: Eismord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Blunt
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muss. Bist du bereit, das zu tun?«
    »O Mann, ich weiß nicht. Ich glaube nicht.«
    »Du glaubst nicht?«
    »Na ja, nicht hundertprozentig. Ich möchte mich nicht auf eine Sache einlassen, die mir über den Kopf wächst. Ich will keinen Fehler machen und alles vermasseln.«
    »Es dient der Sicherheit der Familie. Lemur hatte es eigentlich übernommen. Er hatte sich freiwillig dazu gemeldet. Aber Lemur ist nicht mehr bei uns. Natürlich könnte das Jack übernehmen. Oder ich. Aber mir wäre es lieber, wenn du es tätest. Auf diese Weise könntest du deine Loyalität unter Beweis stellen, und dann hast du für den Rest deines Lebens ein Zuhause.«

[home]
    35
    Z u Hause – falls man diese überhitzte, dschungelschwüle Wohnung so bezeichnen wollte – fiel es Cardinal schwer, sich zu konzentrieren. Zum einen lag es daran, dass ihm drei Frauen im Kopf herumgeisterten. Delorme, wie sie im Flughafen die braunen Augen mit diesem unergründlichen Blick auf ihn gerichtet hatte, der ihm sagte, dass er nicht der Mann sei, für den sie ihn gehalten hatte. Und Donna Vaughan. Die Erinnerungen an die Leidenschaft, an die Intensität, kamen ihm immer wieder so lebendig in den Sinn, dass sie ihn physisch erregten.
    Und Catherine. Würde er es noch einmal erleben, dass er die Augen schloss und nicht Catherine vor sich sah? Jeden Abend blitzten Momentaufnahmen aus ihren gemeinsamen Jahren auf. Und jeden Abend fand er – wie ein pedantischer Buchprüfer, der sich mit einer unstimmigen Bilanz herumschlägt – seinen eigenen Beitrag zu diesen Lebensjahren unzureichend. »Ich hab mein Bestes getan«, sagte er laut, und seine Worte hallten vom Fenster, dem Kühlschrank und vom Küchentisch wider, auf dem er die zerknitterten Unterlagen des Mordfalls Scriver ausgebreitet hatte.
    Er hatte Scriver aus einem einzigen Grund wieder ausgegraben: wegen des Namens Winston. Er war sicher – so gut wie sicher –, dass er in dem Stapel von Mappen mit der verblassten Schreibmaschinenbeschriftung und den zerrissenen Gummis irgendwo schon einmal über diesen Namen gestolpert war. Winston. Nicht gerade ein ausgesprochen seltener Name, andererseits auch nicht sehr geläufig. Im Telefonbuch von Algonquin Bay gab es keinen einzigen Winston – er hatte nachgesehen.
    Walt Scriver, seine Frau Jenny, ihr Sohn Martin. Kein Winston dabei, auch nicht unter den vielen Nachbarn, die befragt worden waren, Leute, die in der Stadt im selben Block wie die Familie wohnten. Draußen am Trout Lake hatten sie keine Nachbarn gehabt. Ihr Cottage hatte auf der Insel am Ende der Island Road gelegen. Durchaus möglich, dass es vom Haus der Schumachers aus zu sehen gewesen wäre, hätte das Haus damals schon existiert. Cardinal sah sich noch einmal die Schwarzweiß-Fotos an, die das Cottage von außen zeigten. Ein kleines, unscheinbares Ferienhäuschen, das einen neuen Anstrich und eine neue Eingangsveranda hätte vertragen können. Ein großer, sorgfältig aufgeschichteter Brennholzstapel unter der Dachkragung, ein Kanu mit dem Rumpf nach oben auf ein paar Sägeböcken, Badeanzüge auf einer Wäscheleine. Ein wackeliger Anlegesteg, der hinter dem steinigen Ufer ins Wasser ragte. In der Akte ausdrücklich vermerkt, ja sogar betont, war das Fehlen des Aluminiumboots mit Außenbordmotor.
    Cardinals Handy vibrierte und drehte sich auf dem Küchentisch um die eigene Achse.
    »Ich wusste, dass du noch wach bist.« Donna Vaughan.
    »Willst du nachher rüberkommen? Sagen wir, in einer Stunde?«
    »Kann nicht. Muss was fürs
New York Magazine
umschreiben. Entweder ich schick’s ihnen noch heute rüber, oder sie bringen es nicht, und ich bekomme kein Geld.«
    »Über die Russen-Mafia?«
    »Nur übers Pelzgewerbe. Ich hab ihnen den Artikel vor Monaten abgeliefert, und sie bringen ihn erst jetzt. Ich füg eine Seitenleiste über die Bastovs hinzu – und keine Sorge, ich werde nichts erwähnen, was ich vertraulich weiß.«
    Zu seiner eigenen Überraschung packte Cardinal eine plötzliche Sehnsucht, doch er sagte nichts. Verunsicherung wegen einer Frau war für ihn unbekanntes Terrain, das er seit der Zeit vor Catherine nicht mehr betreten hatte. Er war nicht sicher, ob es Sehnsucht nach Donna Vaughan war oder einfach nur die Sehnsucht, nicht in diesem Treibhaus mit einer uralten Akte und Ideen, die in die Sackgasse führten, allein zu sein. Oder auch einfach nur Sehnsucht als ein anderes Wort dafür, am Leben zu sein.
    »Ich muss jetzt Schluss machen«, sagte sie, »sonst

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