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Eismord

Eismord

Titel: Eismord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Blunt
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lenkst du mich zu sehr ab.«
    »Gut«, sagte Cardinal.
    »Ich hasse Selbstdisziplin. Sogar das bisschen, das ich aufbringen kann.«
    »Vielleicht können wir es möglichst bald nachholen«, sagte Cardinal.
    Die Fotos vom Inneren der Hütte boten das Bild einer Idylle, die zurückgelassen worden war. Geschirr im Spülbecken, drei Kaffeebecher auf dem Esszimmertisch,
The Algonquin Lode
geöffnet daneben. Angel- und Jagdtrophäen an einer Wand, ein verschlossener Gewehrständer sowie Angelruten und -ausrüstung an der anderen. Ein winziger tragbarer Fernseher mit Zimmerantenne, davor ein paar klobige Möbel. Ein großer Holzherd.
    Die Jagdausrüstung interessierte Cardinal. In der Akte war erwähnt, dass Mr. Scriver sich als Fallensteller betätigt hatte, wenn auch nur gelegentlich. Viele Kerle stellen Fallen, um einfach nur Zeit in der freien Natur zu verbringen.
    Die Zeitung auf dem Tisch war auf der Seite mit den Filmen, die gerade liefen, geöffnet. Die Kinos von Algonquin Bay waren längst in die Einkaufszentren integriert worden, doch damals hatte die Stadt noch vier Kinos gehabt – drei in der Hauptstraße und ein Autokino an der Trout Lake Road. Jemand hatte die 22:00-Uhr-Vorstellung von
Butch Cassidy und Sundance Kid
im Autokino angekreuzt. Um rechtzeitig dort zu sein, hätten die Scrivers mit dem Boot um 21:45 Uhr zum Yachthafen hinüberfahren müssen, wo sie einen Stellplatz für ihren Pkw hatten, um von dort aus zum Kino zu fahren. Sie kamen nie bis zum Wagen.
    Es war auch nicht sicher, ob sie überhaupt zum Kino aufgebrochen waren. In den wenigen Cottages an der Island Road konnte sich niemand daran erinnern, sie auf dem Wasser gesehen oder gehört zu haben. Das Anwesen wurde gründlich durchsucht. Auf Fotos in der Akte waren Schichten von Grabungen zu sehen. Es gab Nahaufnahmen von Knochen, die sich aber vor langer Zeit begrabenen Elchen zuordnen ließen. Es war nicht unüblich, Teile zu begraben, wenn Jäger mehr nach Hause schleppten, als sie essen konnten. Diese Kadaver stammten aus der Zeit, bevor die Scrivers das Cottage gekauft hatten.
    Ihr Haus in der Stadt bot keinerlei Hinweise darauf, dass es in jüngster Zeit bewohnt gewesen wäre. Die Scrivers zogen jeden Sommer Ende Juni ins Cottage und blieben dort bis zum Beginn des neuen Schuljahrs im September. Und so wurde der Fall Scriver in Algonquin Bay, nachdem nicht etwas anderes bewiesen werden konnte, zum berühmtesten mutmaßlichen Unglücksfall durch Ertrinken.
    Taucher hatten den See abgesucht, doch nicht die geringste Spur von den Scrivers oder auch nur ihrem Boot gefunden. Mr. Scriver hatte seit vielen Jahren beim Umweltamt gearbeitet, und seine Dienststelle hatte sämtliche Hebel in Bewegung gesetzt, doch sogar ihr Echolot hatte beharrlich geschwiegen.
    Cardinal blätterte einen Bericht nach dem anderen durch. Befragungen von Verwandten: Ja, die Scrivers verstanden sich alle gut. Freunde, Nachbarn, Arbeitgeber – sämtliche Zeugenaussagen bestätigten, dass die Scrivers eine glückliche Familie waren. Martin, der Sohn, der die ganze Zeit mit seinem Vater angelte und jagte, die Mutter eine gute Lehrerin, der Vater ein zuverlässiger Mitarbeiter, der eine Vorliebe für die freie Natur hegte. Martin hatte wohl ein wenig Sorgen bereitet – war in der Schule aus der Hockeymannschaft geflogen, weil er einen Schiedsrichter krankenhausreif geprügelt hatte, eine Jugendstrafe wegen Einbruchs. Und dann hatte Cardinal, was er suchte: einen Zusatzbericht von einem gewissen Detective René Proulx, der die Freundin des Sohnes, Cecilia Winston, vernommen hatte.
    Martin Scriver hatte bei einer Rotwildzählung nördlich von Temiskaming einen Job für den Sommer gefunden. Cecilia Winston lebte in der Gegend. Sie wurde anlässlich eines Gedenkgottesdienstes für die Scrivers befragt, der fast ein Jahr nach ihrem Verschwinden abgehalten wurde. Unverzeihlich, dass es nicht viel früher geschehen war. Nein, sie hatte bei Martin nie irgendwelche Anzeichen von Gewaltbereitschaft oder Wut erlebt. Vielmehr hatte er ihr gegenüber in einem von Männern dominierten Umfeld einen außergewöhnlichen Beschützerinstinkt an den Tag gelegt. Nein, natürlich hatte sie nach dem Verschwinden nichts mehr von ihm gehört.
Befragte aufgewühlt und in Tränen aufgelöst. Nach eigener Aussage über Martin S.s mutmaßlichen Tod tief erschüttert. Überdies nur eine Woche nach dem Tod ihres Bruders (Kurt,
18
. Leukämie).
    Cardinal zog den Ordner der Flughafenpolizei aus

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