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Eismord

Eismord

Titel: Eismord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Blunt
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andererseits lief sie eher Gefahr, zu unterkühlen und sich Frostbeulen zu holen.
    Cardinal ging in die Hocke und zog Delorme in eine sitzende Stellung hoch, so dass ihr Kopf über ihren ausgestreckten Beinen hing. Er rieb ihr die Handgelenke und schlug ihr leicht ins Gesicht, um die Durchblutung anzuregen.
    Sie kam zu sich, würgte und erbrach. Cardinal drehte sie auf die Seite, sie schrie erneut und erbrach sich ein zweites Mal in den Schnee. »Tut mir leid«, sagte sie. »Tut mir leid. Scheiße, es ist wirklich schlimm, John.«
    »Wir müssen zusehen, dass wir dich zu dieser Trapperhütte zurückbringen. Ich könnte versuchen, dich zu tragen.«
    »Nein, das würde noch mehr weh tun.«
    »Kannst du dich auf ein Bein aufrichten?«
    Delorme beugte sich vor und packte hinter ihrem Erbrochenen eine Handvoll Schnee, wusch sich damit das Gesicht ab. Sie nahm eine zweite Handvoll und säuberte sich damit den Mund.
    »Zieh mich hoch.«
    Cardinal stand auf. Er zog seinen Handschuh aus und bückte sich. Delorme nahm einen ihrer Fäustlinge, steckte ihn sich in den Mund und biss darauf. Sie verschränkten die Hände.
    »Bei drei«, sagte Cardinal. »Eins, zwei …« Bei drei zog er fest, und Delorme stellte sich auf ihr gesundes Bein, während sie durch den Lederhandschuh stöhnte.
    Sie wankte gegen ihn, und Cardinal dachte, sie wäre wieder kurz vor der Ohnmacht, doch sie hielt sich tapfer. Delorme legte eine Hand auf Cardinals Schulter und er einen Arm um ihre Taille. Jedes Mal, wenn sie einen Schritt machen musste, hielt er sie fest und stützte sie ab.
    Ihre Spuren waren schon fast ganz verweht. Sie brauchten über eine halbe Stunde für eine Strecke, die sie vorher in zehn Minuten zurückgelegt hatten. Delorme musste nach jedem Schritt eine Pause machen und tief durchatmen. Heftige Böen wirbelten ihr den Schnee in die Augen, so dass sie immer nur die unmittelbar vor ihnen liegenden Fußspuren erkennen konnten. Cardinal schwappte eine Woge der Panik durch den ganzen Körper. Endlich sahen sie die in Weiß gebettete Hütte vor sich. Sie war mit Brettern gesichert und mit einem Vorhängeschloss versehen.
    »Möchtest du dich hinlegen, während ich versuche, das Schloss aufzubekommen?«
    »Wenn ich mich hinlege, muss ich nur wieder hoch.« Sie lehnte sich an einen Baum. Cardinal zog ihre Kapuze nach vorn und band die Schnur zusammen.
    Er sah sich das Schloss an. Es war das größte Vorhängeschloss, das er je gesehen hatte, doch er hatte nichts dabei, womit er es aufschlagen konnte. Unter dem Vordach gab es nur Brennholz. Er zog den Reißverschluss seines Parkas auf und griff nach seiner Beretta. Der erste Schuss versetzte dem Riegel eine Kerbe, der zweite sprengte das Schloss auf.
    Die Hütte war äußerst bescheiden, zwei winzige Räume mit je zwei Feldbetten und einem Holzofen in der Mitte. Cardinal ließ die Tür offen, um etwas sehen zu können, dann half er Delorme hinein und auf das nächste Feldbett. Er wollte ihr gebrochenes Bein auf dem Bett ein wenig ausrichten und entlasten, doch sie ließ ihn nicht. Sie lag, nur halb bei Bewusstsein, da und schmiegte sich in ihren Parka.
    Cardinal ging wieder hinaus und zog etwas Brennholz aus der Mitte des Stapels. Er fand eine kleine Axt und spaltete damit einen Scheit zu kleinen Zündspänen. Er tränkte sie mit ein wenig Anzündflüssigkeit, hielt ein Feuerzeug daran und schloss die Ofentür.
    Auf einem der Feldbetten waren Decken gestapelt. Cardinal breitete eine davon über Delorme. Er fand eine Coleman-Laterne, in der noch Kerosin war, und machte Licht. Auch wenn es jetzt in der Hütte heller war, wirkte es bei geschlossener Tür und Brettern vor den Fenstern wie Mitternacht.
    »Soll ich versuchen, dir die Stiefel auszuziehen?«
    Delorme öffnete die Augen nicht. Ihre Wangen waren nass von geschmolzenem Schnee. Cardinal holte ein beinahe sauberes Handtuch und wischte ihr damit das Gesicht trocken. Schatten tanzten durch die Hütte.
    Im Moment gab es nichts mehr zu tun, als das Ende des Unwetters abzuwarten.
    Er legte sich auf das andere Feldbett und schlief gegen seine Absicht im nächsten Moment ein.
    »John, John, wach auf!«
    Es war inzwischen wärmer. Er wusste nicht, wie lange er geschlafen hatte.
    »John, wach auf.«
    Er fuhr hoch und rieb sich das Gesicht.
    »Ich hab was gehört.« Delorme sprach hastig im Flüsterton, als könnte jemand sie hören. »Offenbar jemand in Schwierigkeiten.«
    Cardinal zog sich die Stiefel an.
    Der Ruf drang deutlich bis zu ihnen,

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