Eisnacht
beirren. »Wenn es keine Drogen sind, dann ist es etwas anderes. Was verbirgst du vor uns, Scott?« Sie sprach leise und liebevoll, unvoreingenommen und nicht bedrohlich. Gleichzeitig ging sie zu ihm hin, nahm seine Hand und drückte sie aufmunternd. »Sag uns, was los ist. Selbst wenn es noch so schlimm ist, werden dein Vater und ich zu dir halten. Was ist es? Weißt du etwa, was mit…«
Sie verstummte, weil sie die grauenvolle Frage nicht über die Lippen brachte, ohne vorher Luft zu holen. »War mehr an deiner Beziehung mit Millicent, als wir damals geahnt haben? Hat die Polizei irgendwas entdeckt, das…«
»Hältst du jetzt verflucht noch mal den Mund?« Wes packte sie am Arm und riss sie herum. » Spinnst du ? Damit hat er nichts zu tun. Genauso wenig wie mit verbotenen Drogen. Oder irgendwelchen anderen Sachen, die ein typischer Teenager nicht tun würde.«
»Lass mich los.« Sie zerrte ihren Arm aus seinem Griff. »Irgendwas stimmt nicht mit meinem Sohn, und ich will wissen, was es ist, bevor das FBI hier auftaucht und ich es von denen erfahren muss. Was ist es?«
»Nichts.«
»O doch. Wes«, brüllte sie ihn an. »Unser Sohn ist nicht mehr der Mensch, der er letztes Jahr war. Sag mir nicht, dass da nichts ist! Ich bin nicht blind und auch nicht blöd. Ich habe ein Recht zu wissen, was mit meinem Sohn passiert.«
Er kam mit seinem Gesicht näher. »Willst du es wirklich wissen?«
»Dad, nein!«
»Du willst es also wirklich wissen, Dora?«
» Dad!«
Wes stopfte die Hand in die Manteltasche und zog eine Schachtel mit Einwegspritzen und mehrere Ampullen heraus. Sie wich vor der ausgestreckten Hand zurück. »Was ist das?«
»Steroide.«
Sie starrte ihn mit aufgerissenem Mund an und wandte sich dann an Scott. »Du injizierst dir Steroide?«
Sein Blick zuckte zu Wes hinüber, dann sah er sie wieder an. »Nicht ich. Mr Ritt macht das.«
Mitten in ihr fassungsloses Schweigen hinein klopfte jemand an die Haustür.
»Das wird unser Besuch sein.« Wes steckte seelenruhig die Spritzen und Ampullen in die Tasche zurück, zog seinen Mantel aus und hängte ihn dann über den Haken an der Hintertür. »Scott, geh an die Tür und bitte sie herein. Nur nicht nervös werden. Dutch ist auch dabei. Du bittest sie ins Wohnzimmer und sagst ihnen, dass wir gleich nachkommen.«
Scott blieb wie festgewachsen stehen und sah seine Mutter verlegen und beschämt an.
»Hast du verstanden, Scott?« Wes' leise Stimme duldete keinen Widerspruch.
Scott kehrte auf dem Absatz um und ging ins Wohnzimmer, um auf das zweite Klopfen hin die Haustür zu öffnen. Wes baute sich vor Dora auf.
Sie spürte seinen heißen Atem auf dem Gesicht. »Du wirst so tun, als wäre alles in diesem Haushalt tipptopp in Schuss, hast du verstanden? Das hier geht niemanden etwas an. Das bleibt in unserer Familie.«
Sie spießte ihn mit ihrem Blick auf. »Wie konntest du unserem Sohn das antun? Das Zeug ist Gift.«
»Eine für dich typische Übertreibung.«
»Hast du dir auch nur einmal Gedanken über die Nebenwirkungen gemacht, Wes?«
»Die sind ein kleiner Preis, wenn man bedenkt, was sie leisten bei…«
»Ich pfeife auf seine sportlichen Leistungen!«, fuhr sie ihn im Bühnenflüsterton an, damit die Männer im Zimmer nebenan sie nicht hörten. »Es ist mir scheißegal, wie stark er ist oder wie gut er auf dem verfluchten Footballfeld ist. Mir geht es um sein Leben.« Sie spürte, wie sie allmählich außer sich geriet. Dies war nicht der richtige Zeitpunkt, um die Beherrschung zu verlieren. Sie atmete mehrmals tief durch, um sich zu beruhigen , aber dann fuhr sie mit ungedämpftem Zorn fort: »Siehst du nicht, wie ihn dieses Zeug verändert hat?«
»Okay, er ist ein bisschen launisch. Das könnte eine Nebenwirkung sein.«
»Genau wie Aggressionen.«
Er zuckte gleichgültig mit den Achseln. »Wenn er aggressiver würde, wäre das ein Vorteil, kein Hindernis.«
Sogar nach all den anderen absurden Erklärungen ihres Mannes war diese kaltschnäuzige Erklärung ein Schock. »Du bist ein Monster.«
Er unterdrückte ein Lachen. »Was? Ich dachte, du wärst froh und glücklich, dass die Veränderungen in Scott von den Steroiden herrühren und nichts mit dieser verlogenen Schlampe zu tun haben, die ihm den Kopf verdreht hat. Und nichts anderes war sie, klar?«
»War sie ? Du sprichst von Millicent in der Vergangenheit?« Wes beugte sich vor. »Weil sie für unsere Familie Geschichte ist.«
Jetzt war Dora nicht mehr nur entsetzt, sie hatte
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