Eisnacht
stoßen, sobald du an der Oberfläche kratzt, Marilee. Selbst bei dir.«
Sie wandte den Kopf ab und schaute durchs Seitenfenster. »Ich wünschte, du hättest Recht, William. Ich würde zu gern ein dunkles Geheimnis hüten.«
»Vielleicht hüten die Hamers ja eines, und das FBI hat es aufgedeckt. Ich würde dabei auf Scott setzen.«
»Wieso Scott?«
»Weil ihn diese Bundesgenies inzwischen bestimmt mit Millicent in Verbindung gebracht haben.«
»Sie waren eine Zeitlang ein Liebespaar. Na und?«
»Ein Liebespaar.« Er kicherte leise. »Was für ein malerischer und altmodischer Ausdruck für ihre Beziehung. Sie hat die Pille genommen.«
»Wie die meisten Mädchen.«
»Wie ich nur zu gut weiß. Das gehört zu meinem Geschäft. Aber wusstest du auch, dass Millicent die Pille abgesetzt hatte?«
»Wann?«
»Letztes Frühjahr. Sie beschwerte sich, dass sie davon Wassereinlagerungen bekam und an Gewicht zulegte. Mir kam der Gedanke, dass sie und Scott einen kleinen Unfall gehabt haben könnten, bevor sie sich trennten.«
»Du meinst, sie wurde schwanger?«
»Genau das.«
»Trotz ihrer Magersucht?«
»Möglich wäre es.«
»Du täuschst dich ganz bestimmt. William.«
»Von meinem Beobachtungsposten im Laden aus sehe ich so manches und merke mir alles, was ich sehe. Eines Tages saßen Scott und Millicent an einem Tisch vor der Kaffeetheke und konnten nicht voneinander lassen. Ihre Hand war in seinem Schoß. Muss ich noch deutlicher werden?«
»Nein.«
»Ich wollte ihnen schon sagen, dass sie gehen müssten, wenn sie sich nicht beherrschen könnten. Offensichtlich kamen sie zu demselben Schluss. Sie konnten gar nicht schnell genug verschwinden. Er vergaß sogar zu zahlen.«
»Und damit willst du sagen…?«
»Als sie das nächste Mal zusammen im Laden waren, höchstens eine Woche später, hat er sie nicht einmal angesehen. Irgendetwas war in der Zwischenzeit passiert. Irgendetwas Bedeutendes. Ich persönlich würde auf eine ausgebliebene Periode tippen.«
Marilee schüttelte den Kopf. »Ich glaube, dass du dich täuschst. Falls Millicent schwanger gewesen wäre, hätte sich Scott seiner Verantwortung gestellt. Selbst wenn er sich lieber darum gedrückt hätte, hätten seine Eltern dafür gesorgt.«
William lachte dröhnend. »Wes würde keinesfalls zulassen, dass etwas seine Pläne für Scotts Zukunft durchkreuzt. Was es auch sei. Nicht einmal, dass sein eigener Sprössling seinen Samen ausstreut. Und wir wissen alle, wie extrem stolz Wes auf seinen Sprössling ist.«
Seine letzte Bemerkung ärgerte sie, und sie hatte den Verdacht, dass er sie nur deshalb gemacht hatte. »Ich bin ganz sicher, dass weder Scott, noch Dora und nicht einmal Wes die Verantwortung…«
»Ich habe nicht gesagt, dass sie sich nicht der Verantwortung für eine ungewollte und ungelegen kommende Schwangerschaft stellen würden. Wes würde schlicht alles Notwendige unternehmen, um das Problem zu lösen.«
Widerwillig musste Marilee zugestehen, dass William Recht hatte. Das würde Wes tun.
»Was zum Teufel war da drin los?«, fragte Begley leise, als er und Hoot den vereisten Weg vor der Haustür der Hamers entlangbalancierten.
»Das weiß ich beim besten Willen nicht, Sir.«
Erst als sie in ihrem Dienstwagen saßen und Hoot den Motor angelassen hatte, fuhr Begley fort: »Aber gespürt haben Sie es auch, oder? Ich habe mir diese Spannungen nicht nur eingebildet?«
»Keineswegs. Ich hatte das Gefühl, Zeuge einer Aufführung zu sein, bei der sich jeder genau an seinen Text hielt.«
»Ein guter Vergleich.«
Begley zog die Handschuhe aus und rieb sich eifrig die Hände, während er zusah, wie Dutch und Wes sich an der Haustür der Hamers voneinander verabschiedeten. Anschließend ging der Chief zu seinem Bronco und stieg ein.
Mit einem letzten Blick auf das Haus sinnierte Begley halblaut: »Die Mutter schien kurz vor dem Zusammenbruch. Wes Hamer war zu laut, zu kooperativ und zu aufgedreht. Ich habe ihm nichts von dem abgenommen, was er uns erzählt hat. Burton versuchte über Bande zu spielen und seinen Uraltfreund vor uns zu schützen, während ihm Millicent Gunn am Arsch vorbeigeht, weil er nur seine Exfrau im Kopf hat. Und das Kind hat…«
»Gelogen.«
»Dass sich die Balken biegen.«
Hoot wartete, bis der Bronco losgefahren war, lenkte dann die Limousine in die frischen Reifenspuren und folgte in sicherem Abstand.
Begley richtete eine Luftdüse auf seine Brust, obwohl die ausströmende Luft noch kalt war. »Aber wieso
Weitere Kostenlose Bücher