Eisrosensommer - Die Arena-Thriller
möglich – mit der Sprache herausrückte. »Könnte es sein, dass Ihr Sohn das Opfer eines… sagen wir… persönlichen Angriffs oder Racheaktes geworden ist?«
Tamara Peters griff reflexartig nach dem Zigarettenpäckchen in ihrer Jackentasche und Bernhard Peters hob die Schultern. »Ich weiß nicht…«
»Wurde er gemobbt?«
»Nicht, dass wir wüssten…«
»Und dieser Jonas…«, Kommissar Böhnisch griff nach einem Aktenordner und las den Nachnamen ab, »…dieser Jonas Romeike? Da gab es doch letzten Winter diesen Vorfall auf dem Schulhof.«
Tamara Peters biss sich auf die Lippen und Bernhard Peters rieb sich verlegen den Bart. »Ach, wissen Sie, man will doch niemandem was Schlechtes nachsagen, Herr Kommissar.«
Auf der Rückfahrt machten Nele und Pia Zwischenstation in einem Dorfgasthof.
Nele drehte die Perlenspange skeptisch in den Händen. »Gibt’s solche Dinger nicht in jedem Kaufhaus?«
»Nein! Eben nicht! Rebeccas Mutter macht diesen ganzen Kram selber! Ohrringe, Ketten, Spangen, Dreamcatcher, Mobiles…«
»Dreamcatcher?! Wie out ist das denn?!«
»…und alles aus Perlen und Glitzersteinchen, mal mit, mal ohne Regenbogeneffekt.«
»Hat die ’n Ebay-Shop, oder was?«
»Nee, die arbeitet nicht. Die hat erfolgreich zwei Ehemänner beerbt.«
»Wow!« Nele pfiff ausgesprochen undamenhaft durch die Zähne. »So ’ne Art Schwarze Witwe, oder was?«
Pia zuckte die Achseln. »Äußerlich jedenfalls nicht. Die trägt Lila. Oder Mauve. Oder Fliederfarben. Zu ihrer Aura passend.«
»Tz. Voll in den Achtzigern stecken geblieben! Aber solche Walla-Walla-Tussis sind doch immer total world-peace-mäßig drauf! Deren Kids ersäufen doch keine Hunde!«
»Und wie kommt Rebeccas Spange dann in den Swimmingpool?«
Nele zuckte die Achseln. »Find’s raus.«
»Und wie?«
»Na, indem du sie fragst!«
»Ihr Sohn scheint ja echt ’n Schlag bei Frauen zu haben«, witzelte die Krankenschwester, als Bernhard und Tamara Peters am Abend ins Krankenhaus kamen. Doch die beiden waren nach dem Besuch im Kommissariat viel zu aufgewühlt, um auf die Bemerkung einzugehen.
»Bettina Mantscheff«, hatte sich das Mädchen mit dem Engelsgewand bei Anmeldung vorgestellt, »ich bin eine Freundin von Lennart Peters.«
Allein im Zimmer hatte Rebecca minutenlang bewegungslos an Lennarts Bett gestanden.
»Lennart? Tust du nur so oder schläfst du wirklich?«
Keine Reaktion.
»Wie blöd von mir! Du kannst ja gar nicht antworten! Muss schrecklich für dich sein.«
Lennart atmete tief und gleichmäßig.
Rebecca strich ihm mit zwei Fingern leicht über die Wange. Dann warf sie einen Blick durch das Überwachungsfenster in ihrem Rücken: Der diensthabende Pfleger tippte etwas auf einer Computertastatur und interessierte sich ganz offensichtlich mehr für das, was auf dem Bildschirm vor sich ging, als für die Geschehnisse im Intensivzimmer.
Rebecca lächelte zufrieden und wandte sich wieder Lennart zu.
»Vielleicht schläfst du ja wirklich. Wie auch immer: Das hab ich für dich gemacht.«
Sie nestelte einen verschnörkelten silbernen Fotorahmen aus ihrer Tasche und stellte ihn auf Lennarts Nachttisch: das Bild einer kleinen schwarz-weißen Hündin. Eindeutig gescannt oder aus dem Internet gefischt und ausgedruckt, aber mit deutlicher Ähnlichkeit zu Nagual.
»Ich komme wieder«, flüsterte Rebecca dicht an Lennarts Ohr.
Als sie sich umwandte, trafen ihre Blicke die des jungen Pflegers hinter der Scheibe und sie winkte ihm lächelnd zu.
»Bis bald, Lennart«, sagte sie im Hinausgehen. »Sehr bald.«
Lennarts Lider waren nach wie vor geschlossen. Lediglich das EKG-Gerät zeigte an, dass er keineswegs geschlafen hatte: Die Herzfrequenz war in den letzten Minuten um zwanzig Schläge angestiegen.
10
Es kam selten genug vor, dass Pia ihre Eltern um juristischen Rat fragte, aber die Sache mit der Spange ließ ihr keine Ruhe.
»Wer ein Wirbeltier ohne vernünftigen Grund tötet oder ihm aus Rohheit erhebliche Schmerzen oder Leiden zufügt – vulgo: sich der Tierquälerei schuldig macht –, muss laut Paragraf 17 der Straf- und Bußgeldvorschriften mit bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe rechnen«, erklärte Barbara Canisius, ohne dazu auch nur ein einziges Nachschlagewerk bemühen zu müssen. »Und in Paragraf 4 des Tierschutzgesetzes heißt es dazu unmissverständlich: Ein Wirbeltier töten darf nur, wer die dazu notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten hat.«
Als Pia fragend die Stirn runzelte, setzte ihre Mutter
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