Eisrosensommer - Die Arena-Thriller
schrecklichen Mordversuch anzuhängen. Das mit der Haarspange, die Jonas in den Pool geworfen hat, war ja schon schlimm genug…«
Tja, so gehen kosmisch erleuchtete Super-Kids halt miteinander um, schoss es Pia durch den Kopf. Nur ihre gute Erziehung verhinderte, dass sie es laut sagte.
»Ich back euch Quarkkeulchen, und zu Mittag gibt’s Gemüsepizza!«
»Frau Matussek, ich…«
»Ich freu mich auch, Pia. Taaaaausend Dank!«
Klick. Aufgelegt.
Du gehst da einfach nicht hin und basta!, war Pias erster Gedanke. Außerdem: Was soll Lennart denken, wenn ich am Nachmittag nicht bei ihm vorbeikomme?
Dann ertappte sie sich dabei, in Gedanken den heutigen Stundenplan durchzugehen: keine Klausuren. Latein Leistungskurs, Deutsch, Geschichte, zwei Stunden Kunst: alles problemlos zu Hause nachzuholen.
Unten in der Küche hörte sich Barbara Canisius das Anliegen ihrer Tochter an und zuckte die Schultern. »Notfall. Ganz klar. Mach dir keine Gedanken, Mäuschen. Ich ruf um Punkt acht in der Schule an und sag, dass du heute nicht kommen kannst, weil du zu deinem kranken Freund…«
»Nein!!! Ich hab… Schnupfen!«
»Ach? Und der ist morgen wie von Zauberhand verschwunden?«
»Durchfall?«
»Unappetitlich.«
»Zahnschmerzen? Kopfschmerzen? Fuß verknackst?«
»Mäuschen, merk dir eins: Ein bisschen an der Wahrheit drehen, ist im Zweifelsfall ’ne wunderbare Sache. Kann ich als Anwältin nur bestätigen. Aber wenn’s nicht unbedingt nötig ist, sollte man’s lassen. Sonst muss man sich irgendwann zu viele erfundene Geschichten auf einmal merken. Das kann ins Auge gehen.«
»Aber wie steh ich denn da, wenn du was von Krankenbesuch erzählst? Wie Mutter Teresa!«
»Na und? Tu Gutes und sprich drüber! Davon lebt doch heutzutage die gesamte Promi-Riege!«
»Ich bin aber kein Pro. . .«
»Na gut! Ich hab’s ja kapiert!«, unterbrach sie ihre Mutter. »Dann nennen wir’s halt bakterielle Gastroenteritis. Klingt eindeutig weniger unappetitlich, und wenn jemand fragt, sagst du einfach, du hättest was Falsches gegessen.«
»Danke, Mama.«
»Keine Ursache, Mäuschen.«
Pia griff nach den Brötchen, während ihre Mutter ein pappkartonfarbiges Knäckebrot mit Magerquark bestrich und mit zwei hauchdünnen Gurkenscheiben garnierte.
»Wie lange willst du das noch durchziehen, Mama?«
»Lebenslänglich«, seufzte ihre Mutter. »Was sonst?«
13
Im Krankenhaus herrschte Hochbetrieb: Patienten wurden zum OP gebracht, andere wurden – blass und benommen – aus dem Aufwachraum zurück in ihre Zimmer gefahren, und in sämtlichen Gängen waren Schwestern und Pfleger mit Spritzen und Medikamenten unterwegs, während die Stationshelferinnen und –helfer lautstark die Frühstückstabletts einsammelten.
Kein Wunder, dass die Raucherbänke vor dem Haus überfüllt waren und die Cafeteria von Menschen in Morgenmänteln wimmelte: Wer aus eigener Kraft sein Zimmer verlassen konnte, entzog sich, wenn es irgend ging, der morgendlichen Rushhour.
Die Tür zu Lennarts Zimmer stand offen, und sein Bett war verschwunden. Ein Krankenpfleger hantierte an einem der Geräte.
»Oh Gott…« Pia schlug entsetzt die Hand vor den Mund.
Der Krankenpfleger fuhr erschrocken herum.
»’n Morgen!« brummte er, »wenn Sie zu Herrn Peters wollen…«
»Was ist denn passiert?! Warum ist er nicht hier?!«
Der Pfleger hob beschwichtigend die Hände. «Keine Panik, machen Sie sich keine Sorgen, alles kein Problem. Blablabla.«
»Was?!«
Der Pfleger zog eine selbstironische Grimasse. »Tut mir leid, ist für Sie mit Sicherheit nicht witzig«, seufzte er, »aber diese ewigen Abwiegeleien glaubt einem doch eh keiner. Na ja, Sie wissen ja, wie das ist: Datenschutz! Ich kann Ihnen nun mal keine weiteren Auskünfte…«
»Doch! Sie können!«, erklärte Pia mit fester Stimme. »Ich bin… die Verlobte von Herrn Peters!«
Ein bisschen an der Wahrheit drehen, ist im Zweifelsfall ’ne wunderbare Sache, hat Mama gesagt…
Der Krankenpfleger verkniff sich ein Grinsen. »Ah ja? Nee, is klar…«
Er wirkte nicht gerade überzeugt, aber immerhin war damit zumindest halbwegs den Vorschriften Genüge getan.
»Also?«
Der Pfleger zuckte die Achseln. »Genaues weiß ich leider auch noch nicht. Es hat irgend ’ne Komplikation gegeben. Synkope. Auch bekannt unter dem Namen Kreislaufkollaps.«
»Aber… wo ist Lennart denn jetzt?«
»Noch mal zur CT, so viel ich weiß.«
»Und was bedeutet das genau?«
Pias Hände hatten zu zittern begonnen und der
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