Eisrosensommer - Die Arena-Thriller
Pfleger legte ihr erschrocken den Arm um die Schultern.
»Kein Grund zur Aufregung! Nichts Lebensbedrohliches! Ehrlich jetzt! Er muss sich über irgendwas fürchterlich aufgeregt haben.«
»Was? Wieso? Ich denke, hier sitzt ständig jemand hinter’m Fenster und kontrolliert alles!«
Der Pfleger zuckte die Achseln. »Keine Ahnung, was zu dem Zwischenfall geführt hat. Wissen Sie, was im Kopf von jemandem vor sich geht, der sich von jetzt auf gleich nicht mehr verständigen oder auch nur rühren kann? Vielleicht hat sein Cousin ihm ja irgendwelche gruseligen Räuberpistölchen erzählt…«
»Sein Cousin?!«
Pia schlug das Herz bis zum Hals: Bernhard Peters’ Bruder war der einzige Verwandte! Und er hatte keine Kinder! Einen Cousin gab es definitiv nicht!
»Wie sah der denn aus, dieser… Cousin?«
Der Pfleger runzelte die Stirn, und Pias Gedanken rasten.
Wie bescheuert kann man denn noch sein, Pia? Was für eine dämliche Frage für eine Verlobte!
»Ich meine… oje…!« stotterte sie, »das… ähm … das hat er sicher nicht gewollt, der Cousin. War das etwa… sein Lieblingscousin? Der mit den langen schwarzen Locken?«
Der Pfleger zuckte die Achseln. »Kann sein. Glaub schon. Die Kollegin an der Info hat mit ihm gesprochen.«
Die Kollegin an der Info erinnerte sich gut. »Ach, Sie meinen den hübschen jungen Mann mit den Paul-Newman-Augen?«
Jonas!
Pia kritzelte »Hallo, Lennart! Ich komm heute später!« auf einen Zettel, ließ sich drei Mal versichern, dass ihm die Nachricht auch wirklich ausgerichtet werde, und ging zum Fahrstuhl.
Sie wusste, dass es im Grunde unsinnig war, aber zumindest den Versuch war es wert: Sobald sie das Haus verlassen hatte, wählte sie Jonas’ Nummer.
Nichts. Keine Antwort.
Das heißt aller Wahrscheinlichkeit nach, dass die Polizei Jonas’ iPhone geortet hat. Und wenn sie das iPhone haben, dann haben sie auch Jonas.
Pia war sich unsicher, ob das ein gutes oder schlechtes Zeichen war.
Als sie ihr eigenes Handy einstecken wollte, entdeckte sie, dass Nele angerufen hatte.
Sie simste »Melde mich später«.
Fast zeitgleich erreichte sie eine SMS von Fabian: »Ruf an, sobald du Zeit hast!«
»Fabian?«
»Weißt du’s schon?«
»Meinst du das mit Jonas?«
»Ja. Du, ich bin fix und fertig, weil…«
»Moment mal!« Sie warf einen raschen Blick auf ihr Handy-Display. »Ich könnte kurz bei dir vorbeikommen. Bist du zu Hause?«
Eine gute halbe Stunde später saß sie in Fabians unaufgeräumter Wohnküche und starrte vor sich hinbrütend in ihre Teetasse.
»Wir hätten das alles verhindern können«, murmelte Fabian. »Wir hätten ihn da nicht hinschicken dürfen. Wo er doch selbst gesagt hat, dass Lennart Peters ein Ekelpaket ist.«
Pia schnappte empört nach Luft. »Aber… das stimmt doch überhaupt nicht!«
»Bloß weil er zu dir nett ist, heißt das noch lange nicht, dass er Jonas fair behandelt hat! Also: Woher willst du wissen, dass er ihn nicht bis aufs Blut getriezt und provoziert hat?«
Ich weiß es einfach, dachte Pia. Aber sie sprach es nicht aus.
Stattdessen sagte sie: »Fabi, hör auf, dir Vorwürfe zu machen. Ich glaub trotz allem nicht, dass Jonas Lennart damals absichtlich angefahren hat. Ich glaube, er wollte einfach mal sehen, wie weit er gehen kann.«
»Das macht es keinen Deut besser.«
»Nein. Aber es ist ja wohl ein Unterschied, ob jemand eiskalt einen Mordanschlag plant oder spontan irgendwelche Dummheiten macht. Die Sache auf dem Schulhof ist… einfach aus dem Ruder gelaufen. Und nachher hat es ihm leidgetan.«
»Ja. Das hat er jedenfalls behauptet. Und du glaubst ihm das nach wie vor? Nach allem, was passiert ist?«
Pia zuckte die Achseln. »Er war gestern im Krankenhaus. Jonas, mein ich. Vielleicht wollte er sich bei Lennart entschuldigen.«
»Pia, jetzt bleib aber mal auf’m Teppich! Wie soll denn das deiner Meinung nach abgegangen sein? Hallo, Lennart! Sorry, dass du, wenn du Pech hast, bis ans Lebensende gelähmt bleiben wirst, aber das Ganze war halt so ’ne Schnapsidee von mir und auf jeden Fall nicht böse gemeint!?«
Zu Fabians Schrecken brach Pia übergangslos in Tränen aus. »Ich… ich weiß überhaupt nicht mehr, was ich denken soll«, schluchzte sie.
Fabian stand auf und schaute schweigend aus dem Küchenfenster. Er hätte Pia gern in den Arm genommen und getröstet, aber er wollte nicht, dass sie das vielleicht missverstand.
Er hatte so schon Ärger genug: Im Radio hatte ein Moderator sich mit Feuereifer
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