Eisseele - Schlieper, B: Eisseele
Baumeister«, grinst Zoe.
Stefan Kessler gibt sich geschlagen. »Wenn du so gute Kontakte hast, lad mal Meister Proper ein. Der hätte drinnen einiges zu tun«, lacht er.
Manchmal wundert Zoe sich.
Vertrauen ihre Eltern ihr wirklich so blind? Oder sind sie so naiv? Interessiert es sie doch nicht so sehr? Oder glauben sie wirklich so vorbehaltlos an ihre Tochter?
Zoe weiß, dass ihre Eltern das besser nicht tun sollten. Aber um Misstrauen bitten, will sie auch nicht.
Sie müsste wahrscheinlich lachen, zynisch lachen, wenn sie die Gedanken ihrer Mutter lesen könnte. Sonja Kessler guckt ihre Tochter stolz und zärtlich an. Eigentlich wollte sie ja mit ihr über den Ausbruch noch reden. Über die unausgesprochenen Worte. Doch sie lässt es. Zoe sieht so entspannt, so stark, so optimistisch aus. Sonja Kessler erinnert sich an ihre eigene Pubertät, an die Stürme, die manchmal in ihr getobt haben. An die Ungerechtigkeit, die sie permanent empfunden hat. Das ist einfach eine schwierige Zeit.
Zoe versucht es noch drei Mal am Abend. Bei Kim und bei Saskia. Sie erreicht beide nicht. Im Chat guckt sie nicht nach. Dann hätte sie den Grund gewusst.
Noch eine Lüge, noch ein Verrat
A m nächsten Morgen ist Kim nicht im Bus. Doch sie hat den nicht verpasst, wie Zoe vermutet, sondern extra einen Bus früher genommen. Zoe ist völlig überrascht, als Kim schon auf ihrem Platz sitzt.
»He. Wie war die Prüfung? Hast du bestanden?«
»Habe ich. Obwohl ich vor Lampenfieber total Durchfall hatte. Du weißt ja, wie das ist.«
Zoe hört den zynischen Unterton nicht. Sie will ihrer Freundin um den Hals fallen, sie beglückwünschen. Doch die wehrt ab:«Du, ich muss noch Mathe machen.«
»Willst du mein Heft?«
»Ich habe schon das von Saskia.«
Zoe zuckt die Schultern, fühlt die Kälte, die von Kim ausgeht. Auch bei Saskia stößt sie auf Eis. Sie legt von hinten den Arm um die Freundin, die sich gerade mit Leo unterhält, und merkt, wie Saskia sofort alle Muskeln anspannt. Zoe fragt sich, ob sie wohl stört. Ganz langsam zieht sie sich zurück, setzt sich stumm auf ihren Platz.
»Das Foto sieht echt stark aus, oder?« Carl ist in der kurzen Pause zu ihr gekommen.
»Welches Foto?«
»Was ich gestern noch ins Netz gestellt habe. Noch nicht gesehen?«
Jetzt wird es Zoe auch von innen kalt.
»Welches Foto? Wovon verdammt sprichst du?«, fragt sie jetzt lauter.
Carl zückt sein Smartphone, hält es ihr hin. Zoe sieht darauf fast sinnlich aus. Zart, ein bisschen verträumt.
»Das ist auch von Samstag. Du siehst gar nicht so schlecht aus, oder?«
»Und das stellst du einfach so ins Netz. Ohne mich zu fragen?«
Er grinst. »Klar. Wäre doch Verschwendung, wenn nur ich das sehe.«
Langsam schlendert er zurück zu seinem Platz. Zoe geht mit schnellen Schritten hinter ihm her. »Hast du zufällig auch noch dazugeschrieben, wann das Foto gemacht wurde?«
»Klar. Das passiert doch automatisch.«
Zoe geht langsam wieder zurück.
Kim und Saskia haben es gesehen. Sie wissen, dass Zoe am Samstag nicht kackend auf dem Klo gehangen hat, sondern sich mit Carl getroffen hat. Sie fühlt sich müde. Und Zorn in sich aufsteigen. Sie grübelt fieberhaft nach Ausreden. Nach einer sinnvollen Erklärung. Sie möchte nicht, dass Kim sich vor den Kopf gestoßen fühlt. Ihr fällt nichts ein. Und plötzlich wird sie wütend. Wieso muss sie sich entschuldigen? Sie findet doch Reiten eh blöd. Sie hatte doch eigentlich sowieso keine Lust, den Gäulen beim Im-Kreis-Laufen zuzusehen. Wieso ist das jetzt so ein Drama? Kim hat ja auch bestanden, ohne dass Zoe mit gedrückten Daumen neben dem Platz stand. Also! Sie lässt Saskia und Kim in der großen Pause ziehen. Die beruhigen sich auch wieder. Das Klassenzimmer ist fast leer. Nur sie und Carl sind noch da.
»Komm, ich spendier einen Drink«, sagt er kühl. Sie nickt.
Als sie am Getränkeautomaten stehen, lehnt er sich leicht vor.
»Ich habe mir was Hübsches für unsere liebe Enya einfallen lassen.«
Zoe zieht nur eine Augenbraue hoch.
»Dafür müsstest du allerdings ein bisschen nett zu ihr sein. Wenn du das schaffst.«
»Ich kann zu allen nett sein. Das weißt du doch.« Sie schenkt ihm auf Kommando ein strahlendes Lächeln.
»Am allerbesten freundest du dich mit ihr an«, fährt Carl fort.
»Und dann?«
»Das verrate ich dir dann.«
Er nimmt ihr den leeren Plastikbecher aus der Hand, zerknüllt ihn knirschend und wirft ihn in die Tonne.
Saskia und Kim kommen spät in den
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