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Eisseele - Schlieper, B: Eisseele

Eisseele - Schlieper, B: Eisseele

Titel: Eisseele - Schlieper, B: Eisseele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Schlieper
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Tanzraum. Sie stellen sich hinten rechts auf. Zoe beobachtet es fassungslos über die Spiegelwand. Sie drückt ihren Rücken noch ein bisschen gerader durch. Saskia und Kim standen immer vorne links bei Zoe. Immer. Das ist der Platz des Trios seit jeher. Sie versucht nicht zu den beiden Freundinnen zu gucken. Es gelingt ihr eher schlecht. Als Christa mit einem Klatschen die Stunde beendet, sind Saskia und Kim sofort raus. Zoe spürt wieder die Wut hochkommen. Sie hat sie als schlechten Geschmack auf der Zunge liegen. Als sie selber in die Umkleidekabine kommt, sind die Freundinnen schon weg. Sie findet es albern, kindisch. Auch gemein. Sie packt betont langsam ihre Sachen, lässt sich Zeit. Ganz gemächlich schlendert sie zu der nächsten Tanzprobe auf dem Schulhof.
    »Aufstellen«, sagt sie kühl.
    Kim grinst sie abfällig an, geht in Zeitlupe auf ihre Position. Sie bewegt sich betont langsam. Sie versucht, Zoe mit jeder Faser zu provozieren. Die hält zwanzig Minuten durch. Sie bemüht sich Kim zu ignorieren. In Minute einundzwanzig reicht es ihr. Sie geht zu Kim, stellt sich ganz nah vor sie hin: »Entweder du machst jetzt richtig mit oder du gehst.«
    Aus dem Lautsprecher wird »Time is now« ausgespuckt. Jetzt ist die Zeit gekommen. Zoe fühlt es, und es graut ihr.
    Kim drückt auch den Rücken durch. »Das bestimmst du?«
    »Ja.«
    Zoe wendet sich ab, geht wieder auf ihren Platz. Als sie sich umdreht, ist Kim weg.
    Sie schluckt hart. »Aufstellen. Wir fangen noch mal von vorne an.«
    »Aber das passt doch jetzt gar nicht mehr«, meckert Leo.
    »Dann wird das jetzt einfach eine asynchrone Vorstellung. Ich habe jetzt keine Zeit für eine Gesprächstherapie mit Kim.«
    Keiner sagt was dazu.
    Carl auf dem Dach gegenüber muss sich beherrschen, nicht laut aufzulachen. Das läuft ja noch geiler als er gehofft hatte. Er kann es kaum glauben. Er sitzt noch lange auf dem Dach, nachdem die Tanztruppe gegangen ist. Er hat Zoe zugesehen, wie sie alleine noch fünf Runden auf dem Sportplatz gedreht hatte. Er hatte fasziniert beobachtet, wie sie danach gekotzt hatte, weil sie so ausgepowert war. Sie hatte danach nur kurz mit Wasser den Mund ausgespült und war noch eine Runde langsam ausgelaufen. Er konnte fast sehen, wie unter ihrer braunen Haut eine silberne Metallschicht glänzte. Undurchdringbar. Hart. Kalt. Sie war einfach perfekt.

Dünnes Eis
    F ür Zoe war der Ärger noch nicht vorbei. Ihre Mutter hatte bis zum Ende des Abendbrots gewartet, bis sie wie beiläufig sagt: »Ich habe Kims Mutter heute beim Arzt getroffen. Ihr habt offenbar Streit. Warum?«
    »Wieso warst du denn beim Arzt?«, weicht Zoe aus.
    »Routine beim Gyn. Warum habt ihr euch gestritten?«
    »Bist du schon in den Wechseljahren?«, fragt Zoe sehr direkt.
    Sonja Kessler kriegt diese unerfreuliche Falte zwischen den Augenbrauen, die immer verrät, dass sie tief gekränkt ist. »Nee. Schwangerschaftstest«, zischt sie.
    »Willst du etwa noch ein Kind? Glaubst du, dass ich jetzt groß genug bin, um mich nicht wieder im Klo einzuschließen?«
    »Wie bitte?«
    »Na ja, noch so eine Kreatur wie Franziska wäre ja wohl eine Katastrophe. Aber keine Sorge. Dieses Mal funktioniere ich.«
    Sonja Kessler starrt ihre Tochter an.
    »Kreatur?«
    »Soll ich Missgeburt sagen?«
    »Es reicht. Du gehst auf dein Zimmer.«
    »Willst du mich nicht lieber im Keller einsperren? Wäre doch eigentlich angebracht, oder?«
    »Geh.«
    Zoe heult nicht. Sie setzt sich einfach nur auf das Bett, mit dem Rücken an der Wand und schlägt mit dem Kopf immer wieder nach hinten. So lange, bis sie nichts mehr spürt. Das dauert.
    Sie wusste schon vorher, dass in dieser Nacht die Träume kommen. Da sind wieder die Schreie, da ist viel Blut. In den Nachtfantasien hat sie plötzlich das verschmierte Baby im Arm. Es sieht ihr direkt in die Augen. Traurig und vorwurfsvoll.
    Sie ist nicht gewappnet für das Gespräch mit ihrer Mutter. Sie ist ein Ritter, der die Rüstung noch nicht anhat.
    »Warum hast Du das gestern Abend gesagt?«, fragt Sonja Kessler, als sie Zoe das Müsli hinstellt.
    »Du wolltest doch wissen, warum ich mich mit Kim gestritten habe.«
    »Und?«
    »Weil ich am Samstag nicht zugeguckt habe, wie sie sich ihren breiten Arsch auf einem Gaul noch etwas breiter sitzt. Schlimm, was?«
    »Wenn du ihr das so gesagt hast, ist es schlimm. Was ist mir dir los, Kleine?«
    »Nenn mich nicht Kleine.«
    »Also: Was ist mir dir los?«
    Zoe hat den Mund voller Müsli. Und sie hat das

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