Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eistochter

Eistochter

Titel: Eistochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dawn Rae Miller
Vom Netzwerk:
politische Grundsätze entwickelt und einen Frieden mit den vier anderen Gesellschaften ausgehandelt hat.
    Ein kleines Lächeln bildet sich auf meinen Lippen. Beck ist genau wie Charles. Er sucht immer nach Kompromissen. Ich bin allerdings keine Kriegerin. Niemand könnte mir je vorwerfen, wie Caitlyn zu sein – ich begnüge mich zu gern damit, mich im Hintergrund zu halten und nicht im Rampenlicht zu stehen.
    Ich überfliege noch ein paar Seiten und lande beim Bild einer verräucherten, schmutzigen antiken Stadt. Es ist ein Wunder, dass die Leute sich damals nicht selbst mit all der Umweltverschmutzung, den Krankheiten und dem begrenzten Zugang zu medizinischer Versorgung, Erziehung und Nahrung den Garaus gemacht haben. Ihre Welt sah so anders als unsere aus: übervölkert, dreckig, geradezu dem Untergang geweiht. Sie haben versucht, alles überall hineinzuzwängen, und hatten keinen Sinn für Ordnung und Schönheit.
    Ganz anders als der Staat, dessen einziger Zweck darin besteht, Sicherheit und Wohlergehen sämtlicher Bürger zu gewährleisten. Uns fehlt es an nichts.
    Angesichts all der schrecklichen Dinge, die diese Leute getan haben, war es vielleicht nicht das Schlechteste, die meisten von ihnen mit dem Langen Winter auszurotten.
    Ein leises Lachen unterbricht mich in meinen Gedanken. Beck schiebt seinen Tisch über den Gang neben meinen, während Mr. Proctor seine Vorlesung fortsetzt. Nur Beck kann mit so etwas durchkommen, ohne sich sofort Ärger einzuhandeln.
    Er beugt sich näher an mein Ohr, und sein warmer Atem kitzelt mich am Hals. »Weißt du was?«
    »Ich versuche aufzupassen.«
    Mr. Proctor ist mittlerweile bei der Bedeutung unserer Aufgaben im Staat. Dass es, wenn wir erst einen Partner und einen Arbeitsplatz zugewiesen bekommen haben, Herausforderung und Segen zugleich für uns sein wird, uns um die Sicherheit und Überwachung des Staates zu kümmern. Dass von jedem einzelnen von uns, anders als von Alleinstehenden und Nichtstaatsleuten, erwartet wird, zum Wohl der Westlichen Gesellschaft beizutragen.
    »Tust du nicht. Du hasst diesen Kurs«, sagt Beck herausfordernd.
    Ich sehe ihn mit zusammengekniffenen Augen an, schürze die Lippen und versuche, so gut ich nur irgend kann, verärgert zu wirken. Versuchen ist dabei das Wort, auf das es ankommt, denn mein Magen schlägt in Becks Nähe Purzelbäume, und es raubt mir plötzlich den Atem. »Gut. Was ist?«
    »Kyra hat Maz gestern Abend geküsst. Auf die Lippen.«
    »Geküsst?« Das ist also das große Geheimnis. Ich riskiere einen verstohlenen Blick zu Kyra hinüber. Ich wundere mich nicht, aber eigentlich sollte sie es besser wissen. Was, wenn Maz nicht ihr Partner ist? Was dann? »Du willst übers Küssen reden?«
    »Würdest du lieber üben?« Beck lehnt sich auf seinem Stuhl zurück. Seine Augen funkeln vor Schalk.
    Er zieht mich auf, das weiß ich, aber ich kann nichts gegen die Wärme unternehmen, die sich in meinen Wangen ausbreitet.
    Ich schlage ihm mit der Faust gegen den Oberarm. »Hör auf damit.«
    »Worüber möchtest du denn reden?« Beck reibt sich die Stelle, an der ich ihn getroffen habe.
    Ich hole tief Luft. »Du weißt, worüber ich reden möchte.«
    Er starrt mich ausdruckslos an, als ob er wirklich keine Ahnung hätte.
    »Wie wär ’ s, wenn wir mit heute Morgen anfangen? Mit den Empfindsamen?«
    Ein Schatten huscht über sein Gesicht, und seine Verspieltheit verschwindet. »Was ist damit?«
    »Warum hast du gedacht, sie wären auf der Suche nach dir? Weil du ein Nachkomme der Gründer bist?« Typisch Beck, den Tapferen zu spielen, als ich dazu nicht in der Lage war.
    »Ja.« Er richtet den Blick auf die Wanduhr, so dass ich ihm nicht ins Gesicht sehen kann.
    »Beck, bitte schau mich an. Ich weiß, dass du mir nicht alles sagst.«
    Er dreht sich auf dem Stuhl um und wendet sich mir zu. Seine Lippen sind aufeinandergepresst. Als wir einander in die Augen sehen, stutze ich.
    Alles Schelmische ist verschwunden, einfach aus seinem bildhübschen Gesicht gelöscht.
    »Können wir zu Hause darüber reden? Weit weg von all den Ohren?« Er deutet mit der freien Hand auf den Rest der Klasse.
    Ich will mich damit einverstanden erklären, aber ein stärkerer Drang gewinnt die Oberhand. »Nein. Ich will, dass du es mir jetzt erzählst. Du kommst nicht darum herum.«
    »Lark«, fleht er, »warte einfach, bis wir nach Hause kommen, dann erzähle ich dir alles, versprochen.«
    »Beck, Lark.« Mr. Proctor zieht die zottigen grauen Augenbrauen

Weitere Kostenlose Bücher