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Eistochter

Eistochter

Titel: Eistochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dawn Rae Miller
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hoch. »Ich weiß, dass ihr einen aufregenden Morgen hinter euch habt, aber wartet bitte bis nach dem Unterricht, bevor ihr euch darüber unterhaltet.«
    Beck richtet sich auf und tut so, als würde er schreiben. »Wir haben nur unsere Notizen verglichen.«
    Mr. Proctor nickt nachsichtig. »Ja, bestimmt.«
    Als er uns den Rücken zuwendet, schlage ich Beck den Stift aus der Hand. »Nein«, flüstere ich wütend. »Du sagst es mir jetzt.« Ich werde sonst nie böse auf ihn. Er soll mich schließlich aufheitern, wenn ich bekümmert bin, und mich nicht noch zusätzlich verärgern.
    Er packt meine Hand. »Beruhig dich, Vögelchen.« Er zeichnet kleine Kreise auf meinen Handrücken, und ein seltsames, tröstliches Gefühl breitet sich meinen Arm hinauf bis in mein überreiztes Gehirn aus.
    Aber ich bin immer noch wütend. »Ich verstehe nicht, warum du es mir nicht einfach erzählen kannst.«
    Becks volle Lippen verziehen sich ein wenig, als er die Stirn runzelt. Genau in dem Augenblick klingelt es zur Pause, und er springt auf und lässt mich und meine Launen zurück.
    Verärgert über ihn und zornig auf mich selbst, weil ich nicht die Antworten bekommen habe, die ich wollte, stopfe ich mein Notizbuch und meinen Stift in meinen Rucksack und laufe hinter Beck her.
    »Beck, warte!« Ich hole ihn ein und lege ihm die Hand auf den muskulösen Arm.
    Er schüttelt mich sichtlich gereizt ab und wendet sich zum Gehen, überlegt es sich dann aber anders und legt fest die Arme um mich. Ein überraschtes Seufzen entschlüpft mir, als seine Lippen meine Stirn berühren. Wenn wir allein wären, würde ich mich an seine Brust schmiegen, aber wir stehen mitten auf dem überfüllten Flur. Schüler wimmeln um uns herum. Wir können das nicht tun. Nicht jetzt.
    Ich trete zurück und warte darauf, dass Beck irgendetwas sagt. Stattdessen zieht er sein breites blaues Armband ab und greift nach meinem. Ich lasse zu, dass er es nimmt, und er steckt sie tief in seine Tasche, wo unsere Worte so gedämpft ankommen werden, dass man sie nicht klar verstehen kann.
    Beck legt mir eine zitternde Hand unters Kinn und starrt mir in die Augen. »Du weißt, dass ich alles für dich tun würde, nicht wahr?«
    Verwirrt über sein Vorgehen, schüttle ich den Kopf. »Was ist los? Was verschweigst du mir?«
    Es sieht Beck nicht ähnlich, Geheimnisse vor mir zu haben.
    Er löst sich von mir und gibt mir dann mein Armband zurück. »Du musst dich beeilen, wenn du noch rechtzeitig zu deinem nächsten Kurs kommen willst.« Er lächelt schwach, und sein Gesicht spiegelt nur einen Schatten seiner sonst so lebensfrohen Natur wider, als er sich zum Gehen wendet und mich stehen lässt.
    Irgendetwas stimmt nicht. Ganz und gar nicht. Wieder keimt Besorgnis in mir auf.
    Beck, der entspannteste und glücklichste Mensch, den ich kenne, hat Angst.

6
    Beck fängt mich vor der Klassentür ab, wie er es heute nach jedem Kurs getan hat. Normalerweise wartet er nur nach meiner Landwirtschaftsstunde auf mich.
    »Wie bist du so schnell hergekommen?«, frage ich. Es hat gerade erst geklingelt, und der Kurs, aus dem er kommt, findet auf der anderen Seite des Schulgeländes statt.
    »Magie.«
    »Das ist nicht lustig.« Nach dem Angriff heute Morgen ist es das Letzte, worüber er Witze reißen sollte, besonders wenn andere Schüler mit dabei sind.
    »Das war kein Scherz.«
    Ich verdrehe die Augen. Es hat keinen Zweck, sich mit ihm zu streiten. Wenigstens wirkt er jetzt wieder mehr wie er selbst. »Du kannst nicht einfach die Schule schwänzen. Nicht wenn wir eine hohe Einstufung erreichen wollen.«
    Er streckt den Arm aus und bietet mir an, meinen Rucksack zu tragen. Als ich mir die Riemen überstreife, um ihn selbst auf die Schultern zu nehmen, schüttelt Beck den Kopf. »Du bist stur.«
    »Und du führst dich auf wie ein Verrückter«, sage ich mit finsterer Miene.
    Beck geht durch das Gedränge aus Schülern hinunter zum Speisesaal. Ich folge ihm in meinem eigenen Tempo und zwinge mich, über das nachzudenken, was heute Morgen vorgefallen ist: die Empfindsamen, Annalise, Beck, ja – einfach alles.
    Wir hätten nicht allein sein dürfen, besonders nicht nach der offiziellen Verschiebung des Schulbeginns, das weiß ich. Aber warum ist der Schulalarm bloß nicht losgegangen? Und warum hat mein Armband gepiepst, während Becks keinen Mucks von sich gegeben hat?
    Ich bin so in Gedanken, dass ich Kyra erst sehe, als sie mich am Arm an unseren Mittagessenstisch zieht. Sie hat ihr Haar

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