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Eistochter

Eistochter

Titel: Eistochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dawn Rae Miller
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flüstert Bethina so leise, dass ich die Worte kaum hören kann. »Wenn der Staat den Verdacht hat … Lark, bitte, ich flehe dich an.«
    Lärm und Gepolter auf dem Flur kündigen Becks Ankunft an. Er stürmt ins Zimmer und lässt seine Ausrüstung auf den Boden fallen – genau an die Stelle, an der Bethina gerade aufgeräumt hat.
    Sein Blick springt zwischen Bethina und mir hin und her. Es ist offensichtlich, dass wir eine hitzige Diskussion führen.
    Bethina seufzt. »Große Auftritte liegen dir, nicht wahr?« Sie sammelt den Rest seiner schmutzigen Wäsche ein und trägt den Stapel zur Tür. »Bleibt nicht zu lange auf.«
    Sie sieht mich nicht an, aber ich weiß dennoch, dass unser Gespräch ihr Sorgen macht. Vielleicht liegt es nur daran, dass sie bestürzt über Ryker und Lina ist, oder vielleicht weiß sie über Kyra und Maz Bescheid und hat Angst, dass man auch die beiden voneinander trennen wird. Wenn Schüler wegen unangemessenen Sexualverhaltens getrennt werden, schadet das Bethinas Ruf als Hausmutter. Manche Hausmütter haben wegen so etwas schon ihren Arbeitsplatz verloren.
    Sie zieht die Tür hinter sich zu. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass sie froh ist, einen Vorwand zu haben, um zu gehen.
    »Was war das denn?«, fragt Beck.
    Ich zucke mit den Schultern. Es ist mir zu peinlich, die Wahrheit zu sagen – dass ich wissen wollte, was aus uns werden würde, wenn wir gegen die Regeln verstoßen. »Sie regt sich wegen Ryker und Lina auf und wollte noch einmal klarstellen, dass wir uns an die Vorschriften halten müssen. Wir müssen ein Vorbild sein.«
    Schweiß glänzt auf seinem Gesicht, und Schnee schmilzt in seinem goldenen Haar. Ich gehe zu meiner Kommode, um ein Handtuch zu holen. »Du bist klatschnass«, sage ich, drehe mich um und werfe ihm das Handtuch zu.
    Mir stockt der Atem in der Kehle. Beck steht keinen Meter von mir entfernt, und seine olivgrünen Augen verschlingen mich mit Blicken. Er hat sich das nasse Hemd ausgezogen und es auf seinen Schreibtischstuhl geworfen.
    Auch ohne Bethinas mahnende Worte weiß ich ganz genau, dass wir nichts tun dürfen. Aber ich will, dass Beck mich küsst, und mehr als alles andere will ich ihn küssen.
    Mein Pulsschlag beschleunigt sich, als ich versuche, mich davon abzuhalten, seinen nackten, muskulösen Oberkörper anzustarren.
    Beck pflückt das Handtuch aus meiner ausgestreckten Hand, als ob er Angst hätte, mich zu berühren, und wischt sich damit übers Gesicht. Etwas länger als nötig, wie ich finde.
    »Danke.« Mit diesem einen, kleinen Wort reißt er uns vom Rande des … ja, des was zurück? Des Einander-Anstarrens? Das kommt mir nicht besonders skandalös vor.
    »Weshalb hast du so lange gebraucht?«, frage ich und versuche, so zu tun, als ob die Tatsache, dass er kein Hemd trägt, mich überhaupt nicht ablenken würde. »Ich habe mir Sorgen gemacht.«
    »Das Training hat länger gedauert.«
    Typisch, dass ich gleich das Schlimmste vermutet habe. Natürlich hat das Training länger gedauert. Das passiert immer mal wieder. »Du hättest mich anrufen können. Nach dem, was heute passiert ist …« Das letzte Fädchen meiner Selbstbeherrschung reißt, und meine Augen füllen sich mit den zurückgehaltenen Tränen.
    »He!« Beck beugt sich über mich und wischt mir die Tränen weg. »Wir sind in Sicherheit. Es ist alles in Ordnung.«
    Ich schniefe lautstark. »Du hast Angst. Leugne es nicht.«
    Er zieht ein Taschentuch aus dem Behälter auf meinem Schreibtisch und reicht es mir. Während ich mir die Nase putze, setzt er sich aufs Bett und schüttelt die Schuhe ab. Sie fliegen durchs Zimmer und landen neben seinem Schrank. »Du hast recht, ich hatte Angst. Sie hätten uns töten können.«
    Die Erinnerung an die Frau, die auf mich gezeigt hat, flammt in meinem Verstand wieder auf. Der wahnsinnige Ausdruck ihrer Augen. Ihre schrille Stimme. »Annalise hat gesagt, sie hätten mich gewollt.«
    »Ich weiß.« Er lässt sich auf seine Kissen fallen.
    Obwohl ich weiß, dass ich es nicht tun sollte, gehe ich zu seinem Bett. Es war doch zwischen uns schon immer so, und warum sollten wir jetzt damit aufhören? Außerdem hat Bethina nicht gesagt, dass wir damit aufhören sollen. Sie hat nur gesagt, dass wir nicht intim werden dürfen.
    Beck rutscht beiseite, um mir Platz zu machen, und ich kuschle mich in seine Arme und lasse den Kopf an seiner Brust ruhen. Mein Herzschlag verlangsamt sich, und ich starre die vertrauten Risse in der Decke an.

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