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Eistochter

Eistochter

Titel: Eistochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dawn Rae Miller
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ich Kyra ernsthaft Schaden zufügen möchte – es ist nur ein kleines Spiel, das Beck und ich als Kinder lustig fanden.
    »He.«
    Als ich Becks Stimme höre, zucke ich zusammen.
    »Was tust du hier draußen?«, frage ich. Schüler drängen sich an uns vorbei, zu eifrig darauf bedacht, der Kälte zu entfliehen, als dass sie sonderlich aufpassen würden.
    »Mr. Trevern musste mich sprechen. Er hat mich aus dem Matheunterricht geholt.« Beck macht eine ruckartige Kopfbewegung zum Hauptgebäude hinüber. »Ich gehe gleich wieder rein. Bist du auf dem Weg zum Gewächshaus?«
    Ein Windstoß fegt über die Hügelflanke und lässt Schnee um uns herumwirbeln. Becks roter Schal flattert gegen seine Schulter.
    »Natürlich.«
    Er nimmt meine Hand. »Würdest du in Erwägung ziehen, zu schwänzen und es dir mit mir für den Rest des Tages in einem leeren Klassenzimmer gemütlich zu machen? Um zu lernen«, fügt er schnell hinzu, »für die Ersatzprüfung.«
    Ich recke mich und stupse ihm mit der Fingerspitze an die Nase. Seine blonden Locken sehen unter seiner Strickmütze hervor, und seine Wangen wirken, als hätte irgendeine alte Kinderpflegerin hineingekniffen.
    »Nein. Wir müssen ein Vorbild sein, und das umfasst auch, dass wir zum Unterricht erscheinen.«
    Er sieht mich finster an.
    »Außerdem glaube ich, dass es nach der Sicherheitslücke gestern jedem auffallen würde, wenn du und ich plötzlich verschwunden wären. Aber wir sehen uns beim Mittagessen.«
    Schnell, bevor mir so recht bewusst wird, wie mir geschieht, zieht Beck mich an sich und haucht mir einen sachten Kuss auf die Lippen.
    Ich erstarre. Nach dem, was mit Ryker und Lina geschehen ist, können wir das doch nicht machen!
    »Beck …«
    Er legt mir einen Finger auf die Lippen. »Das wollte ich schon seit Ewigkeiten tun.«
    Und dann ist er fort, rennt durchs Schneegestöber davon.
    Die Flocken peitschen auf mich ein, während ich wie betäubt dastehe. Gewiss, es war kein leidenschaftlicher Kuss, aber er hat mich noch nie zuvor auf die Lippen geküsst. Wärme steigt prickelnd in mir auf, und ich halte mir die behandschuhte Hand auf die Jacke, unmittelbar oberhalb meines rasenden Herzens.
    Sobald ich meine Sinne zusammenraffen kann, blicke ich mich um, um festzustellen, ob irgendjemand etwas gesehen hat. In der Ferne sind zwei Wachen in der Nähe der Barrikade auf Streife, aber sie sind zu weit entfernt. Ein langsames Lächeln breitet sich auf meinem Gesicht aus. Ich sollte verärgert sein – Beck hat gegen die Vorschriften verstoßen und es riskiert, uns beide in Schwierigkeiten zu bringen.
    Aber ich ärgere mich nicht. Er hat getan, was ich schon so lange tun wollte.
    Ich hüpfe über die letzten paar Meter der riesigen Rasenfläche. Der peitschende Schnee hat nichts mit den weichen, tanzenden Flocken von gestern gemein.
    Ein kalter Schauer durchläuft mich. Obwohl ich bis vor zwei Minuten den ereignislosesten Tag meines Lebens hatte, bin ich immer noch nicht überzeugt, dass die Schule hundertprozentig sicher ist. Es ist das Beste, wenn ich nicht allein draußen bleibe.
    Ich erreiche den Rand des Gewächshauskomplexes und gehe schnell den eisigen Weg zu Nummer 34 hinunter. Um mich herum klingt der heulende Wind wie ein Klagelied.
    Ich erschauere und stemme die Tür zum Gewächshaus auf. Kyra lehnt an der Wand, die braunen Locken ihres Pferdeschwanzes schlaff vor Feuchtigkeit. Sie schnippt ungeduldig mit den Fingern, während ich mir die Jacke ausziehe und sie an einen Haken hänge.
    »Hallo, Kyra.« Meine Stimme sprudelt vor Aufregung über.
    »Was hast du mit Lark angestellt?« Kyra stemmt spielerisch die Hände in die Hüften. »Denn du kannst unter keinen Umständen Lark sein, weil du beinahe glücklich klingst.«
    Ich grinse. »Ich habe eben Beck getroffen.« Eine Kunstpause. »Und er hat mich geküsst«, flüstere ich.
    Sie sperrt den Mund auf. »Nein! Lark, du musst mir alles erzählen. Fang ganz von vorn an.«
    Es ist seltsam, wie sie das sagt. Als hätte sie zwar Interesse, würde sich aber zugleich auch Sorgen machen. Als ob es nichts Gutes ist, dass Beck mich geküsst hat, obwohl sie die letzten beiden Tage kaum etwas anderes getan hat, als mich anzustacheln.
    »Es war nichts.« Ich werde rot, als ich mich an die Wärme seines Mundes erinnere. »Er hat nur meine Lippen mit seinen gestreift.«
    Sie atmet hörbar auf. »Das ist alles?«
    Ich nicke.
    Sie berührt mich am Arm, und ein kleines Kribbeln durchläuft ihn. »Erzähl niemandem etwas

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