Eistochter
zu kommen. Sofort.
Und wenn sie glaubt, dass ich entschlossen bin, ihn zu finden, was wird sie Beck dann im Namen des Staates antun lassen? Das Gleiche, was man in der Vergangenheit anderen Empfindsamen angetan hat? Ihn in ein Arbeitslager stecken, verhindern, dass er eine Bindung eingeht, und ihn als Verbrecher brandmarken? Ihn hinrichten? Ich würde ihm lieber hundertmal Lebewohl sagen, als mir auch nur vorzustellen, dass er so leiden muss.
»Nein. Ich kann meine Mutter nicht anrufen.« Ich schüttle den Kopf. »Warum rufst du deine Eltern nicht an?«
»Sie sind nur Staatsleute mittleren Ranges. Aber du bist Malin Greenes Tochter. Findest du nicht, dass du sie kontaktieren solltest? Wirklich, ich möchte wetten, dass sie jetzt so richtig im Schadensbegrenzungsmodus ist, und dass du davongelaufen bist, macht wahrscheinlich alles nur noch schlimmer.«
»Ich kenne meine Mutter kaum.« Anders als die meisten Schüler habe ich meine Mutter nur wenige Male besucht, und selbst dann war sie immer beschäftigt und hat Callum und Annalise mehr Aufmerksamkeit geschenkt als Beck und mir, vielleicht, weil Callum ihr mit seinem blonden Haar und seinen blauen Augen ähnlicher sieht als ich.
»Was hast du vor, Lark? Du sagst, dass du Beck finden möchtest, aber du bemühst dich gar nicht richtig, nicht wahr?«
Zorn kocht in mir hoch, und ich ringe darum, ihn zu unterdrücken. Mein Tonfall ist schneidend: »Du hast keine Ahnung, wie gern ich Beck wiedersehen möchte.«
Er öffnet den Mund, um zu sprechen, hält dann aber inne. Die Art, wie er die Zähne zusammenbeißt, verrät mir, dass er sich ärgert. Wir blicken einander in die Augen, und ich starre ihn böse an.
Maz sieht nicht beiseite, aber der Ausdruck seiner Augen wird sanfter. »Er ist nicht gut genug für dich. Das weißt du doch, nicht wahr?«
Ein erstickter Laut zwängt sich durch meine Kehle, halb Aufschrei, halb Ausdruck des Erstaunens. »Wie kannst du das sagen? Er ist dein bester Freund.«
Maz schüttelt den Kopf. »Ich liebe Kyra.« Er verlagert seine Sitzhaltung ein wenig. »Aber mit dir und Beck ist das ganz anders, das sehe ich doch. Du liebst ihn nicht – du stößt ihn immer wieder von dir.«
Meine Kehle ist so trocken, dass sie brennt. Maz hat recht, ich halte Beck wirklich auf Abstand. »Das tue ich nur, weil ich muss, nicht weil ich es will«, krächze ich.
»Schon gut, Lark. Nicht jeder liebt seinen Partner oder mag ihn auch nur.«
»Liebe?« Beck ist mein bester Freund, auf andere Weise als Kyra – und zeugt die Art, wie mein Herz rast, wenn er in meiner Nähe ist, etwa nicht von Liebe?
»Sofern ihr beiden nicht alles geheim gehalten habt? Gibt es Dinge, die du Kyra nicht erzählt hast?«
Ich schüttle den Kopf.
Fältchen bilden sich zwischen seinen Augen. »Bist du dir sicher, dass du nicht glaubst, dass er empfindsam ist?«
Nein, ich bin mir nicht sicher, sage aber dennoch: »Ja, absolut.«
»Kyra hat mir erzählt, dass du nie von eurer Bindung sprichst. Findest du das nicht eigenartig?«
»Nein, wieso?« Mein Blick schweift durch den Raum, um zu sehen, ob irgendjemand zuhört. Der Speisewagen ist mittlerweile überfüllt, und Leute spazieren auf der Suche nach einem freien Platz hin und her. Nur der Barkeeper scheint sich ansatzweise für unsere Diskussion zu interessieren, aber er steht auf der anderen Seite des Raums – zu weit entfernt, um etwas zu hören.
Maz sieht aus dem Fenster und trommelt mit den Fingern in schnellem Rhythmus auf den Tisch. Nach etwa einer Minute beginnt das Geräusch mir auf die Nerven zu gehen, und als ich ihm gerade sagen will, dass er aufhören soll, bemerkt er: »Kyra kann Menschen durch Berührungen beeinflussen. Das hat sie mir erzählt.«
Ich wende mich von ihm ab. »Du wusstest es?« Das Herz wird mir schwer. Kyra ist eine Empfindsame, und sie hat es Maz gesagt, aber nicht mir.
Bis vor kurzem haben wir alles zusammen unternommen und einander unsere größten Geheimnisse anvertraut, aber irgendwann hat sich unsere Beziehung verändert, und es ist mir noch nicht einmal aufgefallen.
»Ja, sie hat es mir vor ein paar Monaten erzählt.« Seine Augen leuchten. »Sie hat gesagt, ihre Mutter hätte es ihr bei ihrem letzten Besuch erzählt. Weißt du noch, bei der Bindung ihres Bruders im letzten Jahr? Bevor er …«
»Von Empfindsamen getötet wurde?« Offenbar war das eine Lüge.
Der Zug neigt sich scharf nach links.
Ich kneife mir in den Nasenrücken. Ganz ruhig. Ruhig bleiben. »Was hat Kyra
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