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Eistochter

Eistochter

Titel: Eistochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dawn Rae Miller
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dir erzählt?«
    Er rückt seinen Stuhl um den Tisch herum. Jetzt ist er so nahe bei mir, dass unsere Ellbogen sich berühren. Sein Kopf ist gleich neben meinem Ohr. »Ihre ganze Familie ist empfindsam, und anscheinend sind sie nicht die Einzigen. Kyra hat gesagt, dass die meisten von denen, die der Staat fängt, gar keine echten Empfindsamen sind, sondern nur normale menschliche Kriminelle.«
    Wenn Kyras gesamte Familie empfindsam ist, wer hat dann ihren Bruder getötet? Der Staat geht nicht so vor, wir gestehen selbst den abscheulichsten Verbrechern eine Gerichtsverhandlung zu. Ich lege die Stirn in Falten. »Willst du damit sagen, dass der Staat sie gar nicht identifizieren kann?«
    Er zieht die Augenbrauen hoch. »Bei echten Empfindsamen zeigt sich die natürliche Begabung erst mit etwa sechzehn Jahren, aber wie ich gehört habe, gibt es Ausnahmen – Kinder, die schon ganz früh Magie wirken können.«
    Ich lasse die Schultern hängen. Beck hat dem Mädchen Schaden zugefügt, als er noch ein Kind war – und auch dem Schaffner.
    In der Nähe der Bar brennt eine Glühbirne aus und wirft einen langen Schatten durch den Raum. Meine Gedanken folgen den Bewegungen des Barkeepers – nach oben, nach unten, kreuz und quer –, als er nach einer neuen Glühbirne sucht und sie einsetzt.
    »Ich werde jetzt etwas sagen, das dir nicht gefallen wird.« Maz runzelt die Stirn.
    Ich nicke langsam. Nichts, was Maz sagen kann, könnte schlimmer sein als das, was ich jetzt schon nicht mehr aus dem Kopf bekomme.
    »Er wusste es. Und er hat es dir nicht gesagt.«
    Maz’ Stimme ist leise, ein Flüstern, aber die Worte treffen mich, als hätte er sie laut gerufen. Ich zucke zurück. Der Zug ruckelt, und die Leute, die in unserer Nähe stehen, klammern sich an jedem Tisch oder Stuhl fest, den sie zu fassen bekommen können.
    »Wie kannst du das sagen?« Ich beiße die Zähne zusammen. »Hat er dir das erzählt?«
    Maz greift nach meiner Hand, aber ich entziehe sie ihm. »Nein. Aber Kyra hatte den Verdacht. Sie hat es mir gesagt.«
    »Warum? Was hat er getan, um sie auf den Gedanken zu bringen?« Die Lichter im Speisewagen flackern. Vor dem Fenster braut sich in der Ferne ein Sturm zusammen.
    »Wir haben beide schon erlebt, dass du unglücklich warst – aber nur eine Berührung von Beck, und schon ging es dir wieder gut. Er kann deine Gefühle kontrollieren.«
    Ein dickes Seil ballt sich in meinem Magen zu einem Knäuel zusammen. Es stimmt. Wie gestern in der Schule. Ich wollte Antworten auf meine Fragen, aber er wollte darum herumkommen, sie mir zu geben. Er hat meine Hand berührt, Kreise darauf gezeichnet oder so etwas – und dann ging es mir plötzlich wieder gut.
    Das Blut strömt schneller durch meinen Körper. Vielleicht wird Maz einfach weggehen, wenn ich nur lange genug hier sitze und so tue, als könnte ich ihn nicht hören. Aber mir kommt ein anderer Gedanke.
    »Du hast vor, ihr zu helfen, nicht wahr? Obwohl sie empfindsam ist?«
    Maz leckt sich die Lippen und zögert. »Ja.«
    »Aber du glaubst nicht, dass ich mit Beck zusammenbleiben sollte?« Warum sollte er Kyra immer noch wollen, wenn ich nicht mit meinem ausgewählten Partner zusammenbleiben darf?
    »Ich liebe sie, Lark. Das ist der Unterschied. Du liebst ihn nicht.« Er wirft mir einen traurigen Blick zu. »Und du hast eine größere Zukunft vor dir als ich. Du wirst im Staat rasch aufsteigen.«
    Was er vorschlägt, widerspricht allem, was der Staat uns beigebracht hat.
    Ich schüttle den Kopf. »Nein, du täuschst dich. Ich habe keine Zukunft mehr.« Ich hebe die Stimme. »Ich bin jetzt eine Alleinstehende. Ich bekomme keine Arbeit als Staatsfrau.«
    Maz rückt mit ernster Miene auf seinem Stuhl zurück. »Was du tust, ist dumm. Du kannst etwas Besseres erreichen. Nur, weil ihr von Geburt an füreinander bestimmt wart, heißt das noch nicht, dass du bei ihm bleiben musst.«
    Ein schockierter Ausdruck huscht über mein Gesicht, aber ich unterdrücke ihn, bevor Maz etwas bemerken kann. »Beck ist meine Familie. Er würde dasselbe für mich tun.« Ich beiße die Zähne zusammen, um nicht loszubrüllen.
    »A-ha.« Er grinst leicht hämisch und wippt auf seinem Stuhl zurück. »Wenn er dir vertrauen würde, hätte er dir alles erzählt.«
    Mein Magen verkrampft sich vor Anspannung. Ein stechender Schmerz durchzuckt meine Schläfe. Ich will nicht darüber nachdenken, ob Beck vielleicht ein schlechter Mensch ist.
    Maz springt auf. Aus jedem Zoll seines Gesichts spricht

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