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Eistochter

Eistochter

Titel: Eistochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dawn Rae Miller
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seine Zwillingsschwester Caitlyn dabei eine Rolle spielte, und wenn ja, welche, ist unbekannt, aber seine Todesumstände ähneln auf gespenstische Weise denen seines Vaters Miles Channing, der an die letzte Dunkelhexe der Familie Greene, Lucy, gebunden war. Es ist oft der Verdacht geäußert worden, dass Caitlyn und Charles im Laufe ihres Lebens mehrfach auf die Kräfte des jeweils anderen zurückgegriffen hätten, so dass Caitlyns Dunkelheit Charles nach und nach alles Licht entzogen und so seinen Tod verursacht hätte.
    Siehe Caitlyn Greene , S. 236.
    Einunddreißig. Dann hätte ich noch dreizehn Jahre, um mir etwas einfallen zu lassen. Noch mehr vorsichtiges Umblättern, bis ich Caitlyns Seite finde. Ich überfliege den Anfang der Informationen, bis mein Blick auf folgenden Abschnitt fällt:
    Auf Charles’ Drängen hin nahm Caitlyn den Mädchennamen ihrer Mutter, Greene, an, um die Einigkeit zwischen Licht- und Dunkelhexen zu symbolisieren. Dies gestattete den Channing-Zwillingen, sich gegenüber der Nichthexen-Bevölkerung als enge Freunde statt als Geschwister auszugeben – eine Notwendigkeit, damit beide in den neu gebildeten Gesellschaftsrat gewählt werden konnten, ohne bei den Menschen dadurch Argwohn hervorzurufen, dass ihre Familie den Langen Winter quasi unbeschadet überstanden hatte. In der Folgezeit behielten Caitlyns weibliche Nachkommen alle den Nachnamen Greene, sogar nach ihren Bindungen.
    Hm. Darüber habe ich noch nie so richtig nachgedacht. Ich dachte, wir hätten den Namen Greene behalten, damit alle wissen, dass wir von einer Gründerin abstammen.
    Ich springe zur Mitte der Seite:
    Da wir Hexen unter der genetisch bedingten Unfähigkeit leiden, mehr als zwei Kinder hervorzubringen oder uns erfolgreich mit Menschen fortzupflanzen, nahm unsere Zahl nach dem Langen Winter ab. Um unser Aussterben zu verhindern, führte Caitlyn das Partnerschaftssystem ein, das sie den Menschen als Möglichkeit schmackhaft machte, der Überbevölkerung Herr zu werden und begrenzte Rohstoffvorkommen zu schonen. In Wirklichkeit verfolgte Caitlyn jedoch die Absicht, das Überleben der Hexenbevölkerung durch die Schaffung starker magischer Linien und die Begrenzung der menschlichen Vermehrung zu sichern.
    Hexen können nur zwei Kinder bekommen? Deshalb begrenzt der Staat die Kinderzahl? Ich lese die Worte noch einmal, und das Herz sackt mir in die Hose, als ich zu verstehen beginne. Wenn die endlose Parade der vom Staat identifizierten Empfindsamen auf den Wandbildschirmen nur aus Menschen besteht, denen es untersagt wird, sich fortzupflanzen, dann wird vom Staat – oder vielmehr von den Dunkelhexen, die den Staat kontrollieren – aktiv die Anzahl der Menschen verringert.
    Es ist ein langsamer Völkermord über Generationen hinweg. Und meine Mutter beaufsichtigt ihn. Ich schnappe nach Luft und schlage die Hand vor den Mund. Kein Wunder, dass die Lichthexen sie hassen – sie will ihnen wahrscheinlich dasselbe antun.
    »Was ist los?«, fragt Eloise. Sie steht neben mir und liest mit.
    Ich schüttle den Kopf. Wenn sie nicht Bescheid weiß, werde ich nichts sagen. Dass sie mich auch noch hasst, hat mir gerade noch gefehlt. »Nichts. Ich bin nur überrascht.«
    Ich fahre mit dem Finger über das Papier. Seine trockene Oberfläche kratzt mich an der Haut. Am Ende des Abschnitts lese ich:
    Kurz nach Charles’ Tod zog sich Caitlyn am Boden zerstört aus der Gesellschaft zurück. Im Zuge der vom Channing-Zweig der Familie vorgebrachten Spekulationen, dass sie für den Tod ihres Bruders verantwortlich sei, wurde Caitlyn immer labiler. Das Ergebnis war der Fluch, mit dem sie beide Seiten der Familie Channing-Greene belegte – sie wollte ihre Ankläger so leiden lassen, wie sie selbst litt.
    Siehe Familie Channing , S. 54.
    Caitlyn hat uns verflucht? Wut keimt in meiner Brust auf. Erst versucht sie, die Hexenbevölkerung zu retten, indem sie die Menschen kurzhält, und dann verflucht sie ihre eigene Familie, sich gegenseitig umzubringen? Wie konnte sie so egoistisch und kurzsichtig sein? War es ihr gleichgültig, dass sie damit das Leben ihrer Nachkommen zerstört hat?
    Ich blättere zurück und betrachte ein Foto von Charles, das nicht lange nach der Gründung des Staats aufgenommen worden ist. Er grinst mich an; seine Augen wirken schelmisch. Er war so voller Leben, und doch war er ein paar Jahre später bereits tot.
    Ich reibe mir mit der Hand die Stirn. Vielleicht ist das alles ein Irrtum – Beck und ich sind

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