Eistochter
weiß, dass ich will, dass er Eamon wehtut. Und das ist falsch.
Obwohl Eamon nun hingestreckt auf dem zerbrochenen Regal liegt, gibt er nicht auf: »Als Nächstes wirst du versuchen, uns alle zu überzeugen, dass es in unserem Interesse liegt, uns ihren Forderungen zu beugen.« Er rappelt sich auf und stellt sich Beck entgegen.
Beck greift ihn an, und die beiden stürzen in die Glassplitter. Sie wälzen sich übereinander, ringen darum, die Oberhand zu gewinnen. Beck blutet an Armen, Gesicht und Hals aus tiefen Schnitten.
»Beck«, schreie ich. »Hör auf. Das ist doch genau, was er will. Du musst aufhören.« Beck hat Eamon unter sich eingeklemmt. »Tu das nicht!«
Entsetzen und Bedauern erfüllen meinen Körper. Beck ignoriert mich und rammt die Faust immer wieder in Eamons Gesicht. Ein Übelkeit erregendes Knacken durchschneidet die Luft.
So habe ich Beck noch nie erlebt. Außer Kontrolle. Rasend vor Zorn. Ich weiß, dass Eamon recht hat – Beck lebt meine Gefühle aus, und ich muss ihn aufhalten.
Ein leuchtend roter Fleck breitet sich über Becks Hemd aus. Ich lege die Hand darauf. »Denk nach, Beck. Er ist es nicht wert.«
Sein Körper entspannt sich unter meiner Hand. Ein tiefer Atemzug, dann stößt er Eamon noch einmal kräftig zu Boden, bevor er aufsteht. Seine starken blutenden Arme greifen nach mir, und ich schmiege mich kurz an ihn.
Ein Brennen läuft über meinen Rücken. Es ist nicht dasselbe wie die schmerzhafte Energie. Es ist Erleichterung. Die Schmerzen in der Schläfe sind verschwunden.
Hinter mir steht Eamon auf. Ich vermeide es, ihn anzublicken.
»Ich sehe schon, wie es steht. Du willst lieber eine bösartige Schlampe beschützen, als darum zu kämpfen, den Rest von uns vor ihnen zu retten.« Er zeigt aus dem Fenster auf die bebende Kuppel. »Sie ist der Feind, Beck. Je eher du das begreifst, desto besser.«
Ich lege Beck die Hand auf die Brust. »Nein, nicht«, sage ich, als er sich bei Eamons Worten anspannt. »Lass ihn gehen.«
Eamon schiebt sich hinter mich und durch die Tür, während ein lautes Krachen das Haus erschüttert. Ich stolpere vornüber in Becks Arme.
Kühle, beruhigende Luft strömt mir in die Lunge. Ich lege den Kopf in den Nacken und atme noch einmal ein. »Bitte sag mir, dass das eben nicht geschehen ist. Du hast Eamon nicht zusammengeschlagen, weil du wusstest, dass ich es wollte.«
Becks Augen mustern forschend mein Gesicht. »Hör zu. Erzähl niemandem davon, verstanden? Du darfst niemandem verraten, was du vermutest.«
»Was ich vermute? Ich habe dich gesehen, Beck. Du benimmst dich doch sonst nicht so.«
Er fährt mir mit der Hand über den Hinterkopf, bis er die empfindliche, geschwollene Beule findet. »Geht es dir gut?«
»Mir? Ich bin nicht derjenige, der Schnittwunden hat und blutet. Was hast du dir nur gedacht?« Ich sehe ihn kopfschüttelnd an.
Er küsst mich auf die Stirn. »Das ist das Problem. Ich habe nicht nachgedacht.«
24
»Ich nehme an, wir können damit nicht zum Heiler gehen?« Beck dreht die Unterarme um. Aus tiefen Schnitten quillt Blut. Die kleineren Risse überziehen seine Arme und Hände mit einem Netz aus roten Linien.
Die Sirenen schweigen, und der Boden ist zur Ruhe gekommen. Die Schlacht muss vorbei sein.
»Bück dich.« Ich ziehe ihm, so sanft ich kann, das Hemd über den Kopf und sehe mir seinen Rücken an. Ein großes Stück Glas steckt in seiner Haut. Im Laufe der Jahre habe ich oft zugesehen, wenn Bethina meine Mitbewohner verarztet hat. Obwohl ich weiß, dass es das Beste ist, die Scherbe erst einmal stecken zu lassen, frage ich: »Willst du, dass ich sie herausziehe? Ich habe nichts, um die Blutung zu stillen.«
»Dann lassen wir sie besser, wo sie ist. Sie tut nicht einmal ansatzweise so weh wie meine Hand. Ich glaube, ich habe mir einen Finger gebrochen.«
Ich berühre seine Hand. Beck zuckt zusammen und reißt sie weg. »Du hast dir mehr als nur den Finger gebrochen.«
»Wahrscheinlich.«
Ich reiße sein Hemd in zwei Teile und dann noch einmal in zwei. Beck sieht mich mit hochgezogenen Augenbrauen an. »Verbände. Nicht groß genug für deinen Rücken, aber für deine Arme sollten sie reichen.«
Er nickt.
Mit einem Hemdfetzen tupfe ich einen Schnitt an seinem Arm ab. »Warum hast du keine Magie eingesetzt? Wäre es dann nicht leichter gewesen?«
»Ich bin kein Tyrann, Lark.« Er sieht meine Verwirrung. »So war es fairer.«
»Aber er hätte Magie gegen dich einsetzen können. Er hätte dich ernsthaft
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