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Eistod

Eistod

Titel: Eistod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Theurillat
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als ein Museum interessanter Wahrnehmungen.«
    Was der Professor sagte, klang faszinierend. Der Kommissar nahm eine Brissago aus der obersten Schublade seines Schreibtischs, zündete sie an und las weiter.
    Wieder klopfte es an der Tür und wieder war es Rosa, die den Kopf hereinsteckte.
    »Muss das denn sein, jetzt?«
    »Ja, Herrgott.« Sie kam mit zügigen Schritten auf ihn zu und sagte, dass sie ihre Bekannte beim Blick nun habe erreichen können. »Diese CIA-Berichte kamen tatsächlich anonym per Post.« Rosa nannte das Datum des Poststempels. »Mehr konnte oder durfte sie mir nicht sagen.«
    »Das ist schon okay.« Eschenbach sah in seinem Kalender nach. Es war der Tag, bevor er mit Winter in der Kronenhalle gewesen war. Winter musste davon gewusst haben.
    Als der Kommissar nichts weiter mehr sagte, legte Rosa eine Unterschriftenmappe und zwei Berichte auf den Tisch und meinte freundlich: »Wenigstens die Post sollten wir erledigen, finden Sie nicht?«
    Wortlos unterschrieb der Kommissar acht Briefe.
    »Und etwas essen sollten Sie vielleicht auch. Es ist bald zwei Uhr.«
    »Tatsächlich?« Eschenbach stutzte. Er musste völlig die Zeit vergessen haben. Nun dämmerte ihm, weshalb die Stadtverwaltung das Surfen im Internet während der Arbeitszeit verboten hatte. Der Kommissar warf einen Blick auf die Berichte. »Und woher kommt das?«
    »Ewald Lenz. Er hat’s gefaxt.«
    »Der Lenz also …« Eschenbach blätterte die Seiten durch. Es waren Kopien von Krankenblättern und Totenscheinen: Kantonsspital Basel, Zürcher Stadtspital Triemli, Universitätsspital, Klinik Balgrist, Inselspital Bern. Auf den letzten vier Seiten fand er Notizen von Lenz und Jagmetti. »Das ging aber fix«, sagte er.
    »Lenz halt.«
    »Genau.«
    »Ist er denn nicht pensioniert?«
    »Frau Mazzoleni!« Eschenbach rollte die Augen. »Fragen Sie mich nicht Sachen, die Sie schon wissen.«
    Sie unterdrückte ein Kichern.
    »Eben.«
    »Und Claudio?«, fragte Rosa. »Ich finde, er könnte wenigstens einmal vorbeischauen. Hallo sagen ist ja nicht verboten.«
    »Wie kommen Sie denn auf Jagmetti?«
    »Jetzt hören SIE aber auf!« Eschenbachs Sekretärin unterstrich ihre Empörung mit einem Griff ans Ohrläppchen. »Ich kenn doch seine Handschrift. Oder haben Sie wirklich gemeint, ich bin völlig plemplem?«
    »Natürlich nicht.« Der Kommissar informierte Rosa über die kleine Guerilla-Aktion mit Lenz und Jagmetti, über die nächtlichen Sitzungen in der alten Mühle und auch über das, was sie bisher herausgefunden hatten.
    Rosa hörte aufmerksam zu. »Ich hab’s immer geahnt«, sagte sie, als er mit seinen Ausführungen fertig war. »Erinnern Sie sich noch an den Artikel mit den toten Stadtstreichern, den ich Ihnen gegeben habe?«
    »Ja, natürlich! Sie ahnen immer alles, Frau Mazzoleni.« Einen Moment schien sie darüber nachzudenken, ob Eschenbach es ernst meinte. »Sie sollen ihn übrigens zurückrufen … Lenz, meine ich. Er hat noch was in petto. Mehr wollte er mir nicht verraten.«
    »Ach ja.« Der Kommissar zog die Visitenkarte, die ihm Dr. Gürtler gegeben hatte, aus der Jackentasche und gab sie Rosa. »Schicken Sie bitte ein Foto vom schönen Schwinn an diese Adresse … per E-Mail. Und fragen Sie ihn, ob das der zweite Eschenbach ist.«
    Rosa hob die Augenbrauen und machte ein verständnisloses Gesicht. Einen Moment sah es so aus, als wollte sie etwas fragen. Dann verschwand sie mit Mappe und Hüftschwung.
    Sein erster Anruf galt nicht Lenz, sondern dem Spital Horgen. Nachdem er viermal intern verbunden worden war, hatte er Kathrin am Apparat. Seine Erleichterung war hörbar: »Wie geht’s dir, mein Schatz?«
    »Gut … mir geht’s gut, Papa.«
    Eschenbach fand, dass ihre Stimme dünn klang. »Bist du im Bett?«
    »Ja.«
    »Gut.«
    »Mmh.«
    Einen Moment lang entstand eine Stille, wie zwischen zwei Menschen, die einander einmal nahegestanden und sich dann aus den Augen verloren hatten.
    Eschenbach räusperte sich. »War Christoph schon bei dir?«
    »Er hat angerufen.«
    »Was wollte er wissen?«
    »Wie’s mir geht halt … dasselbe wie du, Papa.«
    »Ich werde schauen, ob ich heut Abend vorbeikommen kann.«
    »Das hat er auch gesagt.«
    »Wer, Christoph?«
    »Mmh.«
    »Ich vermisse dich.«
    »Ich dich auch, Papa.«
    Eschenbach legte auf und blieb eine Weile reglos sitzen. Beim Telefonieren fällt es einem auf, dachte er; man erreicht den andern nicht mehr. Es kam ihm vor, als hätten sich Lichtjahre zwischen ihn und Kathrin

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