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Eisweihnacht

Eisweihnacht

Titel: Eisweihnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Berger
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sehen, Marie, bei Ihnen bekommen wir das auch noch hin. Dass alles gut wird. Auf die eine oder andere Weise. Habe ich recht, Sie vermuten, dass Sie schwanger sind? Oder etwas in der Richtung? Sie hatten gestern etwas angedeutet.»
    Marie schluckte und nickte. «Das befürchte ich, ja. Und wissen Sie, das ist eigentlich der Hauptgrund, warum ich geflohen bin. Als es nur um mich ging, da hab ich mich vor den Eltern und den Freunden in Umstadt und vor mir selber zu sehr geschämt, um zuzugeben, dass alles ein Fehler war. Aber jetzt kann ich doch wirklich nicht mehr bei ihm bleiben. Was würde das arme Wurm für eine Kindheit haben, mit solch einem Mann als Vater? Ach, Fräulein Elise, es war alles so unsagbar dumm von mir. Natürlich erkenne ich jetzt, ich hätte früher gehen müssen, bevor es so weit kam.»
    «Ich verstehe gut, wie einem so etwas passieren kann», sagte Elise. «Sie können auf meine Hilfe zählen. Es wird sich eine Lösung finden, ganz bestimmt. – Aber wollen wir jetzt nicht du zueinander sagen, wo doch Josua mein Bruder ist, und du bist seine himmlische Mutter Maria, die ihn vom Weg aufgelesen und nach Hause gebracht hat? Wir sind doch fast eine Familie.»
    Marie lachte, und die beiden Frauen umarmten sich.

D as Treffen zwischen den Kaufleuten Best und Riemenschneider verlief zur beiderseitigen Zufriedenheit. Ein Anwalt wurde mit dem Aufsetzen der Verträge betraut. Best war aber seinem künftigen Schwiegersohn nach wie vor nicht grün, und dies schien sich auch umgekehrt so zu verhalten, sodass Best überlegte, ob er nicht das Haus im Tuchgaden verkaufen, sich aufs Altenteil zurückziehen und das Geschäft «den Kindern» überlassen sollte, behielt dies aber vorläufig für sich.
    Derweil die Männer mit den Verhandlungen beschäftigt waren, von denen der Vater Elise ausgeschlossen hatte, befragte diese ihre Tante Lotte: Warum sie denn
ihr
den Gehling aufgedrängt habe, wenn sie ihn selber wollte?
    «Kind, ich konnte ihn dir doch nicht wegnehmen!», war die Antwort. «Meine kleine Rente hab ich, meine Chance auf Kinder hatte ich auch. Du warst die, die versorgt werden musste. Nur, äh, wollte ich natürlich schnell eine Entscheidung, damit ich noch zum Zuge komme, falls du nicht willst. Denn ich hab doch gleich gemerkt, dass der Gehling – ach, ist er nicht reizend? –, dass der mich immer so ansieht!» Elise schmunzelte und beließ es dabei.
    Früh am nächsten Tag erstand der Kaufmann Best einen leibhaftigen Tannenbaum und eine Holzeisenbahn für den kleinen Josua. Danach nahm Elise ihren Vater beiseite und zeigte ihm den Brief, oder vielmehr beide, den an Goldfarb und den an ihn selbst, mit tausend Mahnungen, er möge sich nicht aufregen. Was er dennoch tat, und zwar atmete er immer heftiger und donnerte schließlich los, was denn dieser Wormser, der freche Halunke, sich wohl gedacht habe, und es sei doch pure Infamie von der untreuen Helena, ihm jetzt den Schlamassel aufzubürden. Als er fertig gedonnert hatte, wischte er sich die Augen, mit der Begründung, das Tannenharz von dem eben in den Hof gestellten Christbaum mache ihn allergisch, und dann sagte er ganz leise: Er habe sich so was gedacht. «Wie?», fragte Elise erstaunt.
    «Na ja, weil der Junge mir doch sagte, er heißt Anspach mit Nachnamen und wäre aus Camberg. Da hab ich mich erinnert, wie ein ehemaliger gelegentlicher Kunde von mir, ein Zwischenhändler, mit Namen Anspach und irgendwo im Taunus ansässig, einmal mit der Helena schöngetan hat; angeblich wären sie als Kinder Nachbarn gewesen. Als sie dann weg ist, hat sie bekanntlich ja nicht geschrieben, wohin, außer ‹zu einem anderen Mann in eine andere Stadt›. Der Verdacht, dass es der Anspach sein könnte, ist mir nie gekommen. Ich meine, wer hätte gedacht, dass sie sich mit einem Juden … aber als ich den Namen des Jungen hörte, da fiel mir ein, dass der Anspach, der Halunke, nicht mehr bei mir gekauft hat, nachdem Helena weg war. Was sie sich gedacht hat … sie muss wahnsinnig gewesen sein. – Ach, es ist sich ja nun alles gleich. Das Bübchen kann jedenfalls nichts dafür. Das kann ja gar nichts dafür. Und es ist doch gut, dass ich meinen Jungen jetzt bei mir hab. Ein Verbrechen war es von der Helena, ihn mir wegzunehmen. Aber nun hat sie ihre Strafe, in Tod und Unglück hat sie sich gebracht durch ihre kindische Aktion. Ach, was soll’s,
de mortuis nihil nisi bene
, wie Freund Wartenstein sagen würde. So, und jetzt geh ich hoch und sag dem Kind die

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