Eiszeit
nur«, widersprach Hain, legte die Scheine neben sich ab und griff erneut in den Tresor. »Hier sind auch noch jede Menge Euronen .«
»Sonst noch was?«
Hain bückte sich, legte den Kopf schief und blickte noch einmal in den Stahlschrank. »Das Ding ist ganz schön tief. Da liegen noch ein paar Schnellhefter …«, er steckte den Arm nach vorne, »… und zwei Kontoauszugsordner drin.« Er zog die Papiere heraus und legte sie auf die Geldstapel. »Das wars .«
*
»94.000 D-Mark und knapp 61.000 Euro«, fasste Hain das Ergebnis seines Geldzählens kurz darauf zusammen. »Was ich nicht verstehe, ist, dass die hier noch D-Mark gehortet haben. Die hätten sie doch längst umtauschen können, noch dazu völlig legal.«
»Mag sein. Allerdings mussten sie damit auch keine Eile haben, weil es für den Umtausch von D-Mark in Euro keine Frist gibt. Das geht in 100 oder 1.000 Jahren noch genauso wie heute. In der Theorie zumindest.«
»Ich weiß«, bestätigte der junge Oberkommissar. »Es erscheint mir trotzdem komisch.«
»Nicht, wenn es Schwarzgeld ist, das sie hier gebunkert hatten. Du kennst doch den alten Grundsatz der Gastwirte: eine Hälfte fürs Finanzamt, die andere für mich.«
»Nein, den kenne ich nicht. Aber ich weiß natürlich, dass auch in der Gastronomie steuerfreies Geld gemacht wird. Und ich weiß, dass Iannone gestern angeblich eine größere Summe in bar erhalten haben soll.«
»Was durch diesen Stapel Kohle noch längst nicht bewiesen ist«, entgegnete der Hauptkommissar.
Er deutete auf die Papiere und die Ordner mit den Kontoauszügen.
»Aber bevor wir uns in eine zunächst uninteressante Grundsatzdiskussion darüber versteigen, warum hier D-Mark im Tresor liegen, sollten wir uns lieber die Auszüge und die Papiere zu Gemüte führen. Also, her mit dem Zeugs.« Er streifte ebenfalls ein Paar Handschuhe über und griff nach dem oberen Ordner.
Aus den Kontoauszügen ging hervor, dass die Iannones vor drei Tagen zuletzt Bargeld auf ihr Geschäftskonto einbezahlt hatten, nämlich 4.500 Euro. Das Privatkonto war mit 18 Euro im Soll und wurde von den beiden eher selten benutzt. Einen Einzahlungsbeleg über eine größere Summe vom Vortag gab es nicht.
»Das heißt, sie haben das Geld entweder nicht bekommen oder nicht einbezahlt«, fasste Hain das Ergebnis zusammen.
»Durchaus nicht«, widersprach Lenz. »Es ist denkbar, dass einer der beiden gestern noch auf der Bank war und nicht mehr dazu gekommen ist, den Beleg abzuheften. Oder das Geld wurde auf ein anderes Konto einbezahlt, von dem hier nichts zu sehen ist. Eine andere Möglichkeit ist, dass sie irgendwo ein Bankschließfach benutzen und es dort deponiert haben.«
»Dann wäre der Tresor hier aber völlig überflüssig«, gab Hain zu bedenken.
»Auch wieder wahr. Lass uns auf jeden Fall die Scheine zu Heini bringen, damit er sie auf Fingerabdrücke untersuchen kann. Wenn es tatsächlich das Geld ist, das Iannone von Molina Mälzer übergeben wurde, müssen sich ihre Fingerabdrücke darauf finden lassen, weil sie es bestimmt gezählt oder ihm vorgezählt hat.«
»Aber nur die Euros. Ich glaube nämlich nicht, dass sie die Eisdiele, wenn überhaupt, mit alten D-Mark-Scheinen bezahlt hat.«
»Natürlich nicht.«
Lenz’ Telefon klingelte.
»Ja«, meldete er sich knapp.
» Winterschied hier. Ich habe Waldemar gefunden, aber er will nicht mit Ihnen sprechen. Können Sie zur Markthalle kommen?«
»Wir sind in einer Viertelstunde da.«
Sie packten die Papiere und das Geld in zwei Plastiktüten, verließen die Wohnung und sprangen in Hains Wagen.
*
»Was heißt das, er will nicht mit uns sprechen?«, fragte Lenz den Zeitungsverkäufer eine Spur zu laut.
»Na ja, was soll das schon heißen. Dass er keine Lust hat, sich mit Ihnen zu unterhalten. Allerdings kann ich Ihnen versichern, dass er die Hosen gestrichen voll hat. Als ich mit ihm gesprochen habe, hat er am ganzen Leib gezittert.«
»Wo ist er?«
»Das darf ich Ihnen nicht sagen. Waldemar hat mit der Polizei nicht die besten Erfahrungen gemacht, deswegen ist er, was den Kontakt mit Ihnen und Ihren uniformierten Kollegen angeht, ziemlich scheu.«
Lenz atmete tief durch und trat einen Schritt näher an Winterschied heran, sodass ihre Nasen sich fast berührten.
»Es ist mir scheißegal, was für Erfahrungen Ihr Kumpel mit der Polizei gemacht hat. Er war in der Nähe des Tatorts und ist zumindest ein potenzieller Zeuge in einem Mordfall, auf den außerdem
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