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Eiszeit

Eiszeit

Titel: Eiszeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias P. Gibert
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weil ich Bulle bin, heißt das noch lange nicht, dass ich nicht auch nach dem perfekten Verbrechen trachte«, hatte er geantwortet. »Also erzähl.«
    Zuerst hatte sie sich geziert, weil sie sich ein klein wenig wegen ihrer Gedanken und Fantasien schämte, dann jedoch offenbarte sie ihm mehr und mehr davon.
    Und so erfuhr Lars Gruber an jenem Frühsommerabend davon, dass es um die Mälzer-Bau-Consulting gar nicht gut stand. Und er erfuhr, dass Jochen Mälzer und seine Frau seit Jahren Investoren sowie die Bundesrepublik Deutschland und die Europäische Union als Subventionsgeber mit gefälschten Bauplänen, aufgeblähten Rechnungen und überhöhten Provisionen für Strohmänner betrogen hatten.
    Das alles hatte seine Freundin im letzten Jahr herausgefunden, nachdem sie über eine Subventionsabrechnung aus Brüssel stutzig geworden war.
    Zunächst war die Geschichte damit erst einmal erledigt. Gruber dachte nicht darüber nach, ob hier der Plan für das perfekte Verbrechen auf ihn wartete, sondern eher darüber, wie er dieses Wissen über die Mälzers möglichst karrierefördernd würde einsetzen können. Ein paar Tage später, nach einem handfesten Krach mit einem seiner Vorgesetzten wegen einer Lappalie, die er vergessen hatte, ihm mitzuteilen, reifte in seinem Kopf doch so etwas wie eine Machbarkeitsstudie. Und plötzlich war auch Franziska Faust nicht mehr abgeneigt, über die Planung eines Kapitalverbrechens nachzudenken. Sie kopierte Aktenauszug um Aktenauszug, sodass die beiden etwa vier Wochen später ein lückenloses Register über die Verfehlungen der Mälzers in den Händen hielten. Gruber, der sich in Wirtschaftssachen auskannte, war über die Chuzpe erstaunt, mit denen der Baulöwe vorgegangen war. Eigentlich, sagte er einmal zu seiner Freundin, hat er gar nicht viel anders gemacht als Jürgen Schneider, der Pleitier aus Frankfurt, 15 Jahre zuvor. Und das gleiche System funktionierte noch immer, weil Mälzer sich die Schwachpunkte der Schneider’schen Betrügereien genau angeschaut und sie ausgebügelt hatte. Es funktionierte, weil immer noch eine Bank der anderen nicht das Schwarze unterm Fingernagel gönnte und Großkunden wie Mälzer nur allzu gerne mit üppigen Krediten ausgestattet und hofiert wurden. Jede Bank, jeder Immobilienfinanzierer wollte mit diesem Mann Geschäfte machen.
    Bis zum Ende des Jahres 2008 und dem Beginn der internationalen Finanzkrise.
    Nicht, dass dadurch Mälzers Betrügereien aufgefallen wären, nein, aber es kam mindestens genauso schlimm, als ob genau das passiert wäre: Durch Neubewertungen seiner Immobilienwerte verloren jene Sicherheiten, gegen deren Verpfändung er Kredite erhalten hatte, mehr und mehr an Wert. Im Frühjahr 2009 bekamen die ersten Banken kalte Füße und fragten vorsichtig nach, wie es denn mit weiteren Sicherheiten bestellt sei. Natürlich konnten die Mälzers keine anbieten, denn alles, was sie besaßen, war bereits belastet und verlor Tag für Tag an Wert. Aber Jochen Mälzer konnte die Banker mit seiner jovialen und charismatischen Art davon überzeugen, dass es nur eine Frage der Zeit sein würde, bis die Dinge sich wieder von den Füßen auf den Kopf gestellt hätten. Und er spielte den immer gleichen Trumpf aus: Wenn er in die Insolvenz geschickt würde, wäre der Gesamtschaden unüberschaubar und die Banken hätten ebenjene Immobilien am Hals, die zunehmend wertloser wurden. So schloss er Stillhalteabkommen mit den Geldhäusern und akzeptierte im Gegenzug eine moderate Erhöhung der Zinsen, was ihn jedoch nicht weiter belastete, da er ohnehin seit Monaten weder Zins- noch Tilgungsleistungen erbrachte.

     
    *

     
    Wieder und wieder hatten Lars Gruber und Franziska Faust alle Möglichkeiten durchgespielt, hatten immer wieder das größtmögliche Risiko gegen den zu erwartenden Gewinn abgewogen. Und irgendwann in dieser Zeit waren sie unbemerkt in jene Falle getappt, die auch ihrem potenziellen Erpressungsopfer zum Verhängnis geworden war: der Gier. Aus dem erträumten Motorrad wurde ein italienischer Sportwagen, das Mini-Cabriolet entwickelte sich in Franziska Fausts Fantasie zu einer schicken Nobelkarosse. Und ein Haus würden sie sich kaufen. Natürlich nicht in Deutschland und auch nicht sofort. Ein, zwei Jahre ganz normal und unverdächtig würden sie weiter ihren Jobs nachgehen, dann von einer kleinen Erbschaft erzählen und ein paar Monate später kündigen, so war ihr Plan.
    Aber sie waren nicht die skrupellosen Erpresser, für die sie

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