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Eiszeit

Eiszeit

Titel: Eiszeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias P. Gibert
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die das Zeug zur Polizei bringen, weil sie damit nichts anfangen können, werden meine Kollegen Blatt für Blatt auf Spuren untersuchen. Dann finden sie meine Fingerabdrücke und ich bin geliefert!‹
    Nein, hatte sie ihn beruhigt und ihm stolz davon berichtet, dass sie jedes einzelne Blatt schon vor Tagen, als sie das Material noch vernichten wollte, mit einem feinen Tuch gesäubert hatte. ›Da waren keine Fingerabdrücke mehr drauf, glaub mir.‹
    Gruber hatte sich weder beruhigen können noch wollen. Eine Stunde später saß er im Auto und fuhr zu seiner Wohnung. Am nächsten Morgen war er um halb sechs aufgestanden, hatte sich für den Vormittag freigenommen und gegenüber der Eisdiele Stellung bezogen. Der Postbote kam um elf, doch der Polizist hatte keine Chance, den Brief in die Hände zu bekommen. Iannone lud den Mann auf einen Kaffee ein, nahm die Post persönlich entgegen und legte sie hinter den Tresen. Vier Tage später waren er und seine Frau tot.

     
    *

     
    Franziska Faust schlug die Klatschseite auf und wollte sich einen weiteren Tee eingießen, als es klingelte. Sie stellte die Teekanne auf den Tisch, zog den Bademantel übereinander, verknotete den Gürtel und trabte langsam zur Tür. Mit der rechten Hand griff sie zum Hörer der Gegensprechanlage.
    »Hast du was vergessen?«, rief sie fröhlich.
    »Mach auf, Franziska. Sofort.«
    Der jungen Frau stockte der Atem. Schlagartig wurden ihre Hände feucht und der Mund knochentrocken.
    »Was … was wollen Sie, Frau Mälzer?«
    »Franziska!«, kam es gehetzt aus der Hörmuschel, »mach die verdammte Tür auf und lass mich rein. Es ist mir egal, ob du schon angezogen bist oder nicht. Mach auf!«
    Die junge Frau drückte wie in Trance den kleinen weißen Knopf, hörte leise das Summen aus dem Hausflur und das metallische Klacken, als die Tür geöffnet wurde, und hängte den Hörer zurück. Dann stellte sie sich auf die Zehenspitzen und starrte durch den Spion in den Hausflur.

     
    *

     
    Molina Mälzer trug Sportkleidung und Laufschuhe. Ihre Haare waren hochgesteckt und sie atmete schwer, weil sie die Treppe in den dritten Stock hochgesprintet war, immer zwei Stufen auf einmal nehmend. Franziska Faust öffnete die Tür, trat zur Seite und streckte die Hand nach vorne, doch ihre Chefin lief an ihr vorbei, ohne auch nur einen Moment zu zögern. »Komm mit und zieh dir was an. Wir müssen so schnell wie möglich hier verschwinden«, hechelte sie.
    Die junge Frau sah ihr kopfschüttelnd hinterher, schloss die Tür und folgte ihr in die Küche. Dort öffnete Molina Mälzer gerade den Wasserhahn.
    »Was ist denn los, Frau Mälzer«, fragte sie irritiert.
    Molina Mälzer öffnete nacheinander drei Schranktüren, griff in den dritten Schrank, nahm ein Glas heraus, füllte es mit Wasser und ließ es gierig die Kehle hinunterrinnen . Das Wasser ließ sie laufen. Dann trat sie näher an ihre Sekretärin heran.
    »Wir haben keine Zeit, Franziska«, flüsterte sie. »Ich weiß, dass du es warst, die uns diese Erpresserbriefe geschrieben hat.«
    Franziska Faust lief knallrot an.
    »Besser, du sagst jetzt nichts!«, zischte Molina Mälzer, »ziehst dir schnell etwas an, packst ein paar Klamotten zusammen und kommst mit mir. Ich weiß nicht, ob wir es schaffen, aber eine zweite Chance kriegen wir ganz sicher nicht mehr.«
    »Frau Mälzer, es tut mir …«, wollte die Sekretärin mit einer Entschuldigung beginnen, doch ihre Chefin hielt ihr die Hand vor den Mund.
    »Hör auf! Wenn du nicht in einer Minute angezogen im Flur neben mir stehst, wird es dir mächtig leidtun . Ich will zum Teufel nicht, dass dir was passiert, also vertrau mir und zieh dich an. Die Männer, die die Italiener in der Eisdiele erschossen haben, sind vermutlich schon auf dem Weg hierher.« Damit schob sie die junge Frau aus der Küche.
    Noch auf dem Flur ließ Franziska Faust den Bademantel fallen, ohne ihm weitere Beachtung zu schenken, riss im Schlafzimmer einen Schrank auf und schlüpfte in eine Unterhose. Darüber zog sie ein kurzes Sommerkleid. Dann warf sie ein paar weitere Klamotten in eine weiße Papiertüte, die noch vom letzten Einkauf herumlag. Zum Schluss stieg sie in helle Sportschuhe und rannte zurück in die Küche.
    »Wollen Sie damit sagen, dass …?«
    Wieder unterbrach Molina Mälzer die junge Frau mit der Hand vor dem Mund. »Komm!«, zischte sie, war schon im Flur, riss zuerst die Tür und direkt im Anschluss die Augen auf, wurde zurück in die Wohnung geschleudert, und

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