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Eiszeit in Bozen

Eiszeit in Bozen

Titel: Eiszeit in Bozen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Burkhard Rueth
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an.
    Mit dieser Ansage hatte er gerechnet. Er wusste noch nicht genau,
was das bedeutete, aber eines war klar: Die Geschichte nahm Konturen an.
Endlich gab es Hinweise.
    Er ging ins Bad, sah sich um, nahm eine Haarbürste von der
Spiegelablage und steckte sie in eine Beweismitteltüte. Dann verließ er
Zabatinos Wohnung und klingelte noch einmal bei der Nachbarin.
    »Was gibt’s noch?«, fragte sie mit finsterem Blick. Sie hatte dem
Commissario nicht verziehen, dass er sie trotz ihres Spezialwissens und ihres
verschwörerischen Kontaktes zu Edoardo, dem Hausmeister, nicht an seinen
Ermittlungen beteiligte.
    »Signora, denken Sie bitte nach. Sind Sie sich absolut sicher, dass
Zabatino nach dem 27. September nicht mehr nach Hause gekommen ist?«
    »Hören Sie, Herr Kommissar, ich mag vielleicht nicht mehr die
Jüngste sein, aber ich weiß, wovon ich rede. Jeden verdammten Tag habe ich auf
ihn gewartet, um ihm meine Meinung zu sagen.«
    Das glaubte Vincenzo sofort. »Ich werde den Schlüssel behalten. Am
Montag kommen meine Kollegen von der Spurensicherung. Merken Sie sich: Sie
haben in Zabatinos Wohnung nichts verloren. Nicht einmal seine Wohnungstür
dürfen Sie anfassen. Außerdem kann es ein, dass Sie Ihre Aussage in der
Questura wiederholen müssen. ArrivederLa .«
    Genervt stieg Vincenzo in seinen Alfa und fuhr nach Sarnthein. Bald
hatte er den ersten Tunnel erreicht, und kurz nach dem letzten öffnete sich vor
ihm das Sarntal. In Bozen hatte der Regen bereits nachgelassen, jetzt hörte er
ganz auf. Allerdings war es eisig. Das Thermometer der Multifunktionsanzeige am
Armaturenbrett zeigte zwei Grad Außentemperatur. Gleichzeitig zeigte die
Wolkendecke immer größere Lücken. Die tief stehende Abendsonne brach durch und
tauchte die gesamte Landschaft und den Himmel in ein intensives,
geheimnisvolles Licht. Sollte es weiter aufklaren, stand der erste Nachtfrost
bevor.

12
    Sarnthein, Sonntag, 10. Oktober
    »Kann ich die Briefe noch mal sehen, Vincenzo? Irgendwas
hat mich stutzig gemacht.«
    Hans Valentin saß mit Vincenzo seit sieben Uhr am Frühstückstisch.
Sie hatten am Vorabend lediglich Wasser getrunken, ein Novum in ihrer
langjährigen Freundschaft. Vincenzo hatte erzählt, Valentin mit sorgenvoller
Miene zugehört. Der Extrembergsteiger war ein einfühlsamer Zuhörer. Genau der
Freund, den Vincenzo in dieser Krise brauchte.
    Auch Valentin konnte sich keinen Reim auf die seltsamen Ereignisse
machen, nichts passte zusammen. Zabatino war verschwunden – hieß das, dass er
der Tote war, den sie in der Talfer gefunden hatten? Wenn ja, warum war er
ermordet worden? Warum hatte der Täter mit brachialer Gewalt verhindert, dass
man ihn schnell identifizieren konnte? Wäre Zabatinos Patient aus der
Psychiatrie entkommen, dann könnte er der Mörder sein, aber das
Monster saß sicher hinter Schloss und Riegel.
    Vincenzo gab Valentin noch einmal die Briefe, der sie der Reihe nach
überflog. »Wusst ich’s doch! Ich habe nicht phantasiert. Zwei Dinge sind mir
aufgefallen, Vincenzo. Zum einen weiß er sehr viel über dich. Das bedeutet,
dass er dich kennt oder lange Zeit beobachtet hat. Zum anderen diese
Formulierungen: eisige Zeiten , Eiszeit .
Hast du dir darüber mal Gedanken gemacht?«
    Vincenzo kam nicht mehr dazu, zu antworten. Vor ihm auf dem Tisch
klingelte das Handy. Mit zitternder Hand drückte er die grüne Taste. »Ja?«
    »Guten Morgen, Vincenzo, mein Freund. Hast du nach unserem
anregenden Gespräch auch so gut geschlafen? Hör mir bitte aufmerksam zu, jetzt
wird es spannend: In der Via della Torre steht ein schwarzer BMW  Kombi, neueres Modell. Um halb elf legst du
bitte den Umschlag mit meinem bescheidenen Salär hinter das rechte Vorderrad.
Vor dem linken Hinterrad liegt ein neuer Umschlag für dich bereit. Er enthält
deinen nächsten Spielzug. Du nimmst ihn bitte mit, fährst zurück und öffnest
ihn sofort, wenn du in deiner warmen Stube sitzt. Hast du alles verstanden?«
    Entgeistert blickte Vincenzo auf die Wanduhr. »Das ist in einer
halben Stunde!«
    »Vincenzo, ich bitte dich! Du enttäuschst mich. Heute ist Sonntag,
keine Lkw, da ist eine halbe Stunde bis Bozen ein komfortables Zeitpolster.
Bedenke, dass sich mit jeder Minute, die du zu spät kommst, das Strafmaß
erhöht.« Klick, das Gespräch war beendet. Wie von der Tarantel gestochen sprang
Vincenzo auf und stieß dabei seine volle Tasse um. Der Kaffee ergoss sich mit
solchem Schwung über die glatte Fläche des Esstisches, dass er

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