Ekel / Leichensache Kollbeck
überprüft. Und wieder beschränkt man sich dabei auf Wehrpflichtige und Zeitsoldaten, so daß Mirko Steinitz abermals durch die Maschen des Ermittlungsnetzes schlüpft.
Mit der Zeit laufen die polizeilichen Recherchen ins Leere. Schließlich wird das Verfahren gegen den unbekannten Mörder der Brüder René und Stefan Kölling vorläufig eingestellt.
Steinitz zehrt in den Folgemonaten von seinen Erinnerungen an die Bluttaten. So verschafft er sich zumindest eine solche Entspannung, daß er seine Gelüste auf einen erneuten Mord weitgehend im Zaum halten kann. Auch der frühe Wintereinbruch fördert diese Zurückhaltung: Denn es ist ihm zu kalt, um im Freien den perversen Trieben ihren Lauf zu lassen. So verkriecht er sich lieber in die Berliner Wohnung und beschäftigt sich mit den geheimen Mordprotokollen und den Fotos der Opfer. Seine schauderhafte Phantasie kann dort die Qualen der Gepeinigten am besten reproduzieren und ihn in Hochstimmung versetzen. Dann gelingt ihm mitunter sogar ein Samenerguß.
Später kommt ihm in den Sinn, weitere Morde in den Kellern der zentralbeheizten Plattenbauten von Neubrandenburg-Datzeberg zu begehen. Dort wähnt er sich weitgehend ungestört, vermutet genügend Fluchtwege und ist sich der behaglichen Wärme sicher.
Ein- bis zweimal wöchentlich nach Dienstschluß fährt er von Cölpin nach Neubrandenburg und kundschaftet das Neubaugebiet Datzeberg aus. Ein einfacher Buntbartschlüssel aus seinem Ledigenwohnheim ermöglicht ihm sogar den Zutritt zu den meisten Kellerräumen in den Vielgeschossern der trostlosen Wohnstadt.
Am 7. Februar 1984 ist es wieder soweit: Mit Notizbuch, Kugelschreiber, Fesselschnüren und Tauchermesser bewaffnet, macht er sich am späten Nachmittag auf die Suche nach einem Opfer. Der Gedanke, daß dies nun sein fünfter Mord sein würde, bringt ihn in lüsterne Erregung. Gleichzeitig aber wächst das Grauen vor einem Zugriff durch die Polizei. Lust und Angst, dieses ungleiche Paar, bilden die Triebfeder seines weiteren Handelns.
Da erspäht er einen etwa 9jährigen Jungen, der mit gefülltem Einkaufsnetz gerade eine Kaufhalle verläßt. Steinitz schleicht ihm aus vermeintlich sicherer Distanz nach. Doch der Junge blickt sich plötzlich mehrmals um, als bemerke er seinen Verfolger, und läuft aus Leibeskräften davon. Irgendwo hinter einem Hochhaus entschwindet er dem Blick des Mörders.
Enttäuscht kehrt Steinitz zur Kaufhalle zurück. Dort nimmt er einen kleinen, etwa 6jährigen Jungen wahr, der unbekümmert vor ihm herläuft. Steinitz überholt ihn eilig, läuft ein Stück weiter, verlangsamt seinen Schritt, macht auf dem Absatz kehrt und kann auf diese Weise das ihm entgegenkommende Kind mit schnellem Blick erfassen: „Es ist ein hübsches, sympathisches Kerlchen.“
Er läßt den Jungen ein Stück vorbeiziehen, verharrt wenige Augenblicke, prüft, ob die Menschen auf der Straße Notiz von ihm nehmen und verfolgt sein nächstes Opfer.
Das Kind läuft einige Straßen weiter und steuert zielbewußt eines der Hochhäuser an. Steinitz ist ihm nun dicht auf den Fersen. Gleich hinter der Haustür packt er zu. Mit festem Griff hält er sein Opfer fest. Leise, fast flüsternd, doch mit scharfem Ton spricht er auf das völlig überraschte und verängstigte Kind ein, sich ruhig zu verhalten. Mit roher Gewalt schiebt er es vor sich her in einen der Kellerdurchgänge, die mehrere Häuser miteinander verbinden. Die Türen verschließt er.
Dann beginnt der Unhold seine mörderische Szenerie: Befragung des Opfers, Anfertigen von Notizen, Nötigung zum Entkleiden. Er ist darüber verärgert, daß der Junge eigentlich noch zu jung ist, um dem langsamen Würgetod jenen aufbäumenden Widerstand entgegen setzen zu können, der für den Höhepunkt seiner Wollust erforderlich ist.
So ist es dann auch. Der Widerstand des Opfers ist gering. Die erwarteten Reaktionen bleiben aus. Nur wenige schwache Zuckungen sind das Resultat der tödlichen Attacke. Statt dessen rinnt Blut aus der Nase des sterbenden Kindes. Das stört. Steinitz kann seine erregenden Vorstellungen nicht mehr konzentrieren, denn er muß nun darauf achten, einen Blutkontakt zu vermeiden.
So schwindet Steinitz’ Erregung höhepunktlos und schnell. Zur Enttäuschung und Verärgerung über den mißglückten Versuch, sich Entspannung zu verschaffen, gesellt sich die plötzliche Angst, entdeckt zu werden, als er Schritte auf der Kellertreppe vernimmt. Irgend jemand versucht, die verschlossene Kellertür
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