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El Silbador

El Silbador

Titel: El Silbador Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berndt Guben
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die Stiege hinauf, um sich endlich zur Ruhe zu begeben. Der Lärm hatte ein wenig nachgelassen. Plötzlich überfiel ihn ein fast ungeheuerlicher Gedanke. Ruckartig machte er kehrt und stieg die Treppe hinab.
    Jawohl, der Kapitän saß noch immer an seinem Platz und machte Eintragungen in sein Logbuch. Michel ließ sich einen Humpen Wein einschenken und setzte sich neben den Bärtigen. »Ihr seid ein Capitan, nicht wahr, Senor?« fragte er unvermittelt.
    Der Angesprochene sah kurz auf und wandte dann den Kopf gleich wieder seiner Kladde zu.
    »Mag sein«, murmelte er undeutlich.Schweigsamer Mann, wenn er nicht reden will, dachte Michel und versuchte, seine Aufmerksamkeit auf andere Weise zu erringen.
    Dicht am Ohr des Kapitäns stieß er plötzlich ein paar scharfe Triller durch die Lippen.
    Der Kapitän kniff die Augen zusammen, als hätte er auf eine Zitrone gebissen, und fuhr sich mit dem Zeigefinger ins rechte Ohr.
    »Wollt Ihr mich um mein gesundes Trommelfell bringen, amigo?« fragte er aufgebracht. Ehe er jedoch ausgeredet hatte, fuhr er sich abermals erschrocken an die Gehörmuschel. Michel hatte mit einer neuen »Melodie« eingesetzt.
    Jetzt wurden auch die anderen Gäste aufmerksam. Das teuflische Pfeifen ging hernach in ein jubilierendes Zwitschern über, das den ganzen Raum erfüllte. Alle lauschten. Derartiges hatte man noch nie vernommen in Santander.
    Michel hielt nicht ein. Offensichtlich begann ihm seine Vorstellung Spaß zu machen.
    Der Kapitän hatte sein Logbuch längst eingesteckt.
    Als das Pfeifen abbrach, klatschten die Umsitzenden Beifall.
    »Ihr seid ja ein wahrer Künstler auf Euerm Gebiet!«
    »Wie erfreulich, daß Ihr das merkt. So kann ich mich jetzt vielleicht ein wenig mit Euch unterhalten?«
    Die übrigen Besucher wandten sich wieder ihren Humpen und Kelchen zu, als sie merkten, daß die Vorstellung beendet war.
    »Si, Senor«, meinte der Kapitän, »redet. Ich unterhalte mich gern mit Leuten, von denen ich annehme, daß sie mich nicht langweilen. Vielleicht könnt Ihr genauso gut schwatzen wie pfeifen.«
    »Muchas gracias für Eure hohe Meinung, Capitan, ich habe nicht gar so viel zu erzählen. Ich wollte Euch vielmehr eine Frage stellen.« »Fragt immerhin. Antworten gebe ich sowieso nur, wenn es mir paßt.«
    »Muy bien, Capitan, hier meine Frage: ist auf Euerm Schiff noch Platz für einen Fahrgast?«
    Der Kapitän war sichtlich überrascht.
    »Wie kommt Ihr darauf, Senor? Ihr müßt wissen, daß ich keine Reisegaleone habe. Ich fahre mit Fracht. Außerdem geht meine Route nicht nach Süden. Ich fahre nach Westindien und nach Amerika.«
    »Eben«, sagte Michel, »dorthin möchte ich auch. Könnt Ihr nicht eine Ausnahme machen? Ich bezahle meine Überfahrt, und meinetwegen verpflichte ich mich auch, Eure Mannschaft mit meinem Pfeifen zu unterhalten. Ihr seht, ich will nichts umsonst.«
    Der Kapitän dachte nach. Der junge Mann gefiel ihm. Vielleicht hatte er wirklich etwas Geld. Geld aber war die Quelle zum Glück. Gleichgültig, woher es kam. »Was wollt Ihr zahlen, Senor?« »Was kostet die Reise?«
    »Nun, sagen wir---zweihundert Pesetas.«
    »Das läßt sich hören, Capitan. Nur kann ich Euch leider nicht in landesüblicher Währung bezahlen. Ich biete Euch für mich und mein Pferd dreihundert Taler. Das sind ungefähr fünfhundert Pesetas.«
    »Taler?« fragte der Kapitän erstaunt, »wo habt Ihr die her? Ich habe schon davon gehört; aber gesehen habe ich noch keinen. Sind Eure Münzen aus Gold oder aus Silber?« »Seht her«, lächelte Michel und griff in seine Gürteltasche, »sie sind so echt und so schön blank wiedie schönsten Duros. Außerdem wiegen sie fast das Doppelte. Wollt Ihr mich mitnehmen?« Nachdenklich betrachtete der Kapitän das Geldstück. Wahrhaftig, der Fremde hatte nicht übertrieben. Eine Goldpeseta sah klein und häßlich aus gegen diesen Taler, auf dem in irgend einer anderen Sprache etwas stand, was er nicht lesen konnte.
    »Es sind preußische Taler. Der kriegerische Friedrich hat sie geprägt. Wie ist das nun, Capitan?« »Bueno«, nickte der, »gebt mir dreihundert von der Sorte, und ich nehme Euch mit.« »Mich und mein Pferd, sagte ich.« Der Kapitän schüttelte mißbilligend den Kopf.
    »Das ist unmöglich. Eine Mähre kann ich nicht auf meiner Galeone brauchen. Außerdem würde sie vermutlich krepieren, wenn schwere See geht. Dreihundert für Euch. Dann könnt Ihr übermorgen an Bord kommen.
    Michel sah den gierigen Blick des Kapitäns und

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