El Silbador
einem Großmaul die Rede ist, so kann damit nur deins gemeint sein, pequeno. Aber du sollst deinen Spaß haben. Einen Augenblick, ich packe nur meinen Degen aus.«
Damit nahm er eine lange Lederrolle vom Rücken seines Pferdes, wickelte sie auf, zog den Degen heraus und schlug das sonderbar geformte Gewehr mit den sechs Läufen sorgfältig wieder ein.
Dann ließ er den Degen ein paarmal durch die Luft zischen und stellte sich in Positur.»Fang an«, ermunterte er den Kleinen. »Vielleicht nehme ich dich später in meine Schule, wenn du einen guten Ansatz zeigst.«
Kapitän, Steuermann und Erster Offizier, die alle noch auf der Kommandobrücke, einem kastellartigen Aufbau, standen, sahen sich überrascht an.
Der Fremde sprach kühn. Und Escamillo de Fuentes war gebildet genug, diese mutige Sprache von gewöhnlicher Aufschneiderei unterscheiden zu können.
Da klangen auch schon die Klingen aneinander. Der Gang dauerte nur wenige Sekunden. Dann beschrieb der Degen Jardins einen eleganten Bogen durch die Luft und blieb zitternd im Holz einer Planke stecken.
Verblüfftes Schweigen ringsum. Man kannte den Zweiten Offizier als guten Fechter. Derartiges hatte man nicht erwartet.
»Por Dios!« schrie er, »mein Degen ist weg. Das ist doch —«
»Steh nicht rum«, unterbrach ihn Michel. »Hol dir deinen Puppendegen wieder. Dann machen wir weiter. Ich habe keine Lust, den ganzen Nachmittag hier untätig herumzulungern.«
Jardin sprang dorthin, wo der Degen im Holz steckte, ließ dabei aber den großzügigen Gegner keinen Moment aus den Augen, denn er fürchtete einen hinterhältigen Angriff.
Michel dachte nicht an solche Tücken. Er hatte seine Waffe gesenkt und stand in lässiger Haltung lächelnd und wartend da.
Als er die Vorsicht des anderen bemerkte, meinte er:
»Du traust dir wohl selbst nicht viel Ritterlichkeit zu, daß du den Verdacht der Hinterhältigkeit auf andere überträgst, was? Wenn ich wollte, wärst du längst eine bildschöne Leiche; aber ich will nicht. Komm, machen wir weiter.«
»Scheint da was Rechtes aufgelesen zu haben, Capitan«, wandte sich der Steuermann an den Kapitän. »Der Kerl ist nicht von Pappe. Bißchen gefährlich, finde ich.«
»Pah«, schaltete sich da Escamillo de Fuentes ein. »Der Bursche macht nicht den Eindruck eines Bravo, seine Züge sind edel. Es wäre vielleicht gut, einen solchen Mann in der Besatzung zu haben.«
»Langsam, langsam, caballeros«, lachte der Kapitän, »nicht jeder gute Fechter ist ein Mann, wie wir ihn brauchen. Und gefährlich — na, für gefährlich halte ich ihn nicht. Er scheint mir eher ein ritterlich erzogener Narr zu sein, seinem Pfeifen nach zu urteilen.« »Pfeifen?« fragte der Erste Offizier, der allem Anschein aus gutem Geblüt stammte und entweder ein adliger Abenteurer oder ein verkrachter Adliger sein mußte, »wie soll ich das verstehen? Was meint Ihr mit dem Pfeifen, Capitan?«
»Wartet ab. Er wird es Euch schon noch vorführen. Seht, da fliegt der Degen unseres guten Alfonso schon wieder durch die Luft! Ich glaube, ich muß mich nach einem anderen Zweiten umschauen.«
Alfonso blickte ziemlich verdattert drein. Er wagte nicht, nach seinem Degen zu laufen. »Wer seid Ihr, Senor?« fragte er mit ehrlicher Anerkennung in der Stimme. Michel steckte seelenruhig seinen Degen in das Lederbündel zurück und antwortete: »Ein Reisender, der möglichst ungeschoren das gelobte Amerika erreichen möchte. Wollt Ihr nun Frieden geben?« »Ich muß«, gab der Kleine freimütig zu, »ich bin Euch nicht gewachsen. Hier meine Hand — — wenn Ihr sie noch wollt.«
»Wenn sie ehrlich dargeboten wird, immer«, antwortete Michel.
»Weshalb sind wir nun eigentlich in Streit gekommen?« fragte der andere, der den Grund bereits wieder vergessen zu haben schien. »Weil Ihr es so wolltet, Senor.« »Ich habe es gewollt? Gewiß nicht. Ihr habt mir ja nichts getan. Hättet Ihr mich nicht »du« genannt, so wäre das vollkommen überflüssig gewesen.«
»Ihr macht da einen Denkfehler. Nicht ich habe Euch so angesprochen, sondern Ihr mich. Ihr müßt wissen, daß ich Fürsten und Kaiser genau so zu behandeln pflege, wie sie mich behandeln. Weshalb sollte ich ausgerechnet bei dem Offizier einer Freibeutergaleone eine Ausnahme machen?«
»Werde es mir merken«, meinte der Kleine und kratzte sich hinter dem Ohr. Die umstehenden Mannschaften machten ehrerbietig Platz. Alfonso Jardin geleitete seinen Besieger auf die Kommandobrücke und stellte ihn den
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