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El Silbador

El Silbador

Titel: El Silbador Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berndt Guben
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leichenblaß geworden, als sie sich mit »Gräfin« angesprochen hörte. So hatte sie der Silbador also längst erkannt! Ohne sich zu besinnen, stürzte sie sich auf die Instrumenttasche des ermordeten Doktors Garcia und riß das chirurgische Messer heraus. Mit einem Wutschrei stieß sie zu. Michel aber hatte bereits ihr Handgelenk mit kräftigem Griff umschlossen und nach hinten gedreht. Das Messer fiel zu Boden.
    »Ich werde Euch binden, Gräfin, wenn Ihr nicht augenblicklich Ruhe gebt. Es widerstrebt mir, eine Frau zu schlagen, sonst würdet Ihr jetzt eine Tracht Prügel beziehen, die Euer Leben lang in Euerm Gedächtnis haften bliebe. Einmal habe ich Euch eine Ohrfeige gegeben. Denkt daran.« Marina war weiß geworden. Tödlicher Haß sprang
    aus ihren Augen. Sie sah jedoch ein, daß sie im Moment in jeder Hinsicht die Unterlegene war,
    und versuchte, äußerlich ruhig zu erscheinen.
    Michel wandte sich wieder dem Kranken zu.
    »Wie fühlst du dich, companero?«
    »Oh, ich danke Euch, viel leichter als vorher.«
    »Nun, wir werden dieses Klistier noch einmal machen. Leider sind in der Schiffsapotheke keine abführenden Mittel vorhanden. Außerdem kann ich noch nicht sagen, wie weit die Entzündung deines Blinddarms fortgeschritten ist. Los, Wasser holen«, wandte er sich daraufhin an Marina. Schweigend verließ die Frau den Raum und kam nach kurzer Zeit mit einem Topf voll warmen Wassers wieder. Die Prozedur begann von neuem.
    »So, amigo«, sagte Michel befriedigt, »geh jetzt in deine Koje und lege dich nieder. Du brauchst viel Ruhe. Ich komme nachher, um dich weiter zu behandeln.«
    Der Patient erhob sich schwerfällig und warf, bevor er hinauswankte, dem Arztgehilfen, dessen wahre Identität er zwar noch nicht kannte, von dem er nun aber wußte, daß er eine Frau, ja sogar eine Gräfin war, einen finsteren Blick zu.
    Michel suchte, ohne sich weiter um Marina zu kümmern, einige Tücher zusammen, die er dem Kranken als Umschlag auf den Bauch legen konnte. Dann verließ er die Kabine.
    Carlos Deste, so hieß der Patient, war mittlerweile in seine Koje gelangt und hatte sich auf seinen Strohsack niedergelegt. Nach kurzer Zeit kam Diaz Ojo, um nach ihm zu sehen. »Na, bist du geheilt?« fragte er. Deste schüttelte den Kopf.
    »Der Senor sagte, daß ich ruhen soll. Er will später nach mir sehen.« »Hm, so bist du also wirklich krank?« Deste fuhr empört auf.
    »Weshalb, glaubst du, sollte ich mich verstellen? Vielleicht weil das verfluchte Weib so grausam ist?«
    Diaz Ojo sah ihn erstaunt an.
    »Weib? Welches Weib meinst du? Haben wir eine Frau an Bord?« Der Kranke schilderte ihm den Vorfall.
    »Que diablos, man sollte den Kapitän verständigen! Das ist ja ein tolles Ding! Und geschlagen hat sie dich, sagst du?« Deste nickte.
    »Sieh dir die zwei Striemen auf meinem Rücken an. Sie schlägt zu wie der Steuermann. Ein Satan ist sie. Welch ein Glück, daß der pfeifende Senor so gütig ist!«
    Ojo dachte nach. Man sollte wahrhaftig mit dem Capitan reden. Vielleicht konnte der fremde Senor die Stelle des Schiffsarztes bekommen. Mit Schaudern dachte er daran, daß er ja auch einmal krank werden könnte. Dann würde er sich wohl oder übel diesem Weibsbild anvertrauen müssen, das in Wahrheit gar kein Heilgehilfe war. In diesem Augenblick trat Michel Baum ein. »Wie geht es dir, amigo?«
    »Bueno Senor, ich glaube, ich bin schon ganz gesund. Nur ein wenig schwach ist mir noch zumute.«
    Michel nickte zufrieden.
    »Wir müssen versuchen, deinen Körper auch noch von den letzten Schlacken zu befreien. Hoffentlich hast du kein Geschwür am Wurmfortsatz. Das wäre recht böse. Jetzt mußt du dir diese Tücher hier auf den Bauch legen. Die feuchte Wärme soll den Kot lösen. Wenn du Glück hast, dann geht die Sache ohne Darmknickung ab. Bleib schön ruhig liegen und bewege dich so wenig wie möglich.«
    Deste sah seinen Retter dankbar an. Ojo bekam Respekt vor der sicheren Art dieses Mannes. Jawohl, der mußte Schiffsarzt werden!
    Michel lag in seiner Hängematte und dachte über den Erfolg seiner Blinddarmbehandlung nach. Der Kapitän hatte ihn gegen Abend zu sich rufen lassen, um ihn als Schiffsarzt anzuheuern. Niemand freute sich mehr darüber als der kleine Alfonso Jardin, der seinen Dienst als Erster Offizier zur Zufriedenheit aller ausführte.
    Der Kapitän hatte Ojo und Deste befohlen, der übrigen Mannschaft gegenüber zu verschweigen, was sie über den verkleideten Arztgehilfen wußten. Er war sogar so weit

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