El Silbador
los.
»Was habt Ihr?«
»Nichts«, war die lakonische Antwort. »Weshalb habt Ihr gepfiffen?« »Damit Ihr mich losließet. Weshalb sonst?« Die Gräfin ballte die Fäuste. Jäh kam die Wut über sie, und sie schlug dem Mann, der sie soeben noch vorm Sturm bewahrt hatte, wild ins Gesicht. Michel umklammerte ihre Handgelenke und sagte hart:
»Ihr treibt ein unfaires Spiel, Marina. Ihr wißt, daß ich Euch nie zugetan sein werde. Ihr seid schön, ja, aber Eure Schönheit vermag doch nicht Eure Schlechtigkeit zu übertrumpfen.« Marina stöhnte auf wie ein wundes Tier. Die Leidenschaft, die sie für ihren Feind empfand, raubte ihr fast den Verstand.
Doch blieb sie still, äußerlich wenigstens. In ihr aber gärte der Gedanke nach furchtbarer Rache. »Da wir im Augenblick das Pech haben, zusammen zu sein, Gräfin, möchte ich Euch gleich ein paar Anweisungen für Euer zukünftiges Verhalten geben. Ihr wißt, daß Ihr mir weiterhin als Heilgehilfe zugeteilt bleibt. Ich möchte nicht, daß Ihr in Zukunft die Mannschaft mit wilden Gerüchten über meine Person und Herkunft gegen mich aufbringt.«
Marina freute sich im stillen. Der hohe Don Silbador mußte sich herablassen, ihr, die er haßte, Anweisungen zu erteilen!
»Wer sagt Euch, daß ich Euern Ruf verderbe?« fragte sie mit gewelltem Spott.
»Ich weiß es. Das muß Euch genügen. Ich glaube, es wäre ziemlich sinnlos, Euer Gewissen anzurufen; denn Ihr habt ja keins.«
»Und wenn ich eins hätte, weshalb sollte es sich belastet fühlen, wenn ich reizvolle Geschichten über Euch in Umlauf setze?«
»Das ist einfach zu erklären. Ihr untergrabt das Vertrauen der Matrosen zu ihrem Arzt. Sollte es sich ereignen, daß wieder einmal einer ernsthaft erkrankt, so wird er nicht zu mir kommen, um sich ordnungsgemäß behandeln zu lassen, weil Ihr seinen Aberglauben genährt und ihm somit Angst vor mir eingeflößt habt. Die Folge könnte sein, daß der Mann stürbe, weil ihm nicht zur Zeit geholfen wurde. Sein Tod aber käme auf Euer Konto.« »Na, wenn schon«, antwortete Marina ungerührt. Michel nickte.
»Sagte ich Euch nicht gleich, daß es sinnlos wäre, den Versuch zu machen, Euer Gewissen anzusprechen? Ihr habt keins. Nun, ich werde mich schon zu verteidigen wissen. Wenn es gar nicht mehr anders geht und das Leben der Leute ernsthaft gefährdet werden könnte, so wird mir nichts anderes übrig bleiben, als Euer Geheimnis preiszugeben.« Marina schwieg für einen Augenblick. Dann sagte sie hastig
»Weshalb schließen wir keinen Vergleich, Silbador?« Michel antwortete nicht; denn er wußte nicht recht, worauf sie hinaus wollte.
»Ich biete Euch Frieden an«, fuhr sie fort, »und Ihr macht mich für die Dauer unseres Zusammenseins zu Eurer Geliebten.«
Michel kniff die Augen zusammen, blieb aber wiederum die Antwort schuldig.
»Ich will nicht, daß Ihr mir Euer Herz schenkt, Silbador«, redete sie weiter, »ich weiß, daß dazu mehr gehört als der Wille, es zu tun; aber nehmt mich zur Geliebten, wie jeder Seemann seine Geliebte hat. Ihr sagtet selbst, daß ich eine schöne Frau sei--warum zögert Ihr noch?«
»Ich bin kein Matrose«, sagte Michel rauh. »Es bleibt dabei: ich will Euch nicht. Habt Ihr denn gar keinen Stolz? Um Euch zu beruhigen, will ich Euch sagen, daß ich eine Braut in meinem Heimatland habe, die sehnsüchtig darauf wartet, daß ich wiederkomme oder sie zu mir hole. Hoffentlich war das deutlich genug.«Marina blickte ihn mit ungläubig geweiteten Augen an. Ihre Lider brannten. Sie hörte nicht mehr den Sturm draußen. Seine letzten Worte hatten sie wie Keulenschläge getroffen. Und nun sah der Silbador zum erstenmal Tränen aus den herrlichen, teuflischen Augen perlen.
O ja, diese Frau konnte einem den Verstand rauben. Sie war imstande, alles vergessen zu machen, was vorher war. Man hätte sich an ihr verzehren können, ohne es zu merken.
Der Kapitän und sein Erster Offizier, Senor Jardin, standen wie festgewurzelt auf der Kommandobrücke. Mit Stricken hatten sie sich angebunden, um nicht über Bord gespült zu werden.
Das Schiff hörte allmählich auf, sich um seine eigene Achse zu drehen. Der Steuermann spürte, wie der Druck auf das Ruder nachließ.
Da kam eine Riesenfaust aus dem Dunkel und jagte die Galeone mit unwiderstehlicher Gewalt nach Süden. Die Geschwindigkeit, mit der sie über die Wellenberge schoß, war atemberaubend. Der Zyklon wanderte südwärts und riß die »Trueno« mit sich. Eine Fahrt auf Leben und Tod
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