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El Silbador

El Silbador

Titel: El Silbador Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berndt Guben
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begann.
    Die Masten bogen sich unter dem Druck der wenigen Segel die gesetzt bleiben mußten, damit die Gewalt über das Schiff nicht vollständig verloren ging. Der Wind riß die spärliche, aber feste Leinwand schneller nach vorn, als der Bug die Wellen durchschneiden konnte. »Ahoi!« jubelte Alfonso Jardin. »Wenn wir jetzt nicht auf Riffe oder Sandbänke auflaufen, dann können wir uns als gerettet betrachten.«
    Der Kapitän nickte aufatmend. Es war ihm ganz gleichgültig, wohin die Fahrt ging. Hauptsache, der Zyklon blieb auf offener See.
    Plötzlich tauchte vor den Augen der beiden ein riesiger Schatten aus der »Waschküche« auf. Hart an Steuerbord war er für Sekunden zu sehen, um dann wieder im Dunkel zu verschwinden. »Der fliegende Holländer«, murmelte Jardin schreckensbleich.
    »Ihr seid verrückt, Senor«, sagte der Kapitän spöttisch, »wenn das einer unserer Männer gehört hätte, so wäre es um unser Schicksal schlecht bestellt. Posaunt hier nicht solche Ammenmärchen aus.«
    »Aber — aber — es — war — doch ein Schiff! Ich habe die Umrisse ganz deutlich erkannt.« »Naturalmente«, meinte der Kapitän, »glaubt Ihr, ich bin blind? Es war grad so ein Schiff wie das unsere. Wahrscheinlich ist es der Engländer, der beim Ausbruch des Sturmes am Rand des Zentrums segelte. Kann verdammt unangenehm werden.«
    Jardin atmete auf. Er war dem Kapitän für die natürliche Erklärung der unheimlichen Erscheinung dankbar. Nie hätte ihn sonst später jemand zu der Überzeugung bringen können, daß er nicht dem Fliegenden Holländer begegnet war. Seefahrer sind abergläubisch. Und mögen sie aus noch so aufgeklärten Kreisen stammen: für sie gibt es den Klabautermann und das Geisterschiff. Basta!
    Nach vielen, vielen Stunden — den Menschen waren sie wie eine Ewigkeit erschienen — flaute der Sturm endlich ab. Wieder war sternenklarer Nachthimmel über ihnen. Sie taumelten wie betäubt an Deck.
    Pedro Virgen blickte verwundert auf den Kompaß. Die Nadel zeigte auf Nord. Und das Schiff fuhr in genau entgegengesetzter Richtung.
    Der Schaden an Deck war beträchtlich. Ganze Stücke von der Reling hatte der Wirbelsturm losgerissen. Es herrschte ein heilloses Durcheinander.
    »Demonio«, schimpfte Ojo, »ich habe einen Hunger, als hätte ich die ganze Woche noch nicht gegessen.«
    Deste nickte zustimmend und fuhr sich wie zur Bestätigung ebenfalls über den leeren Magen.
    Pedro Virgen aber saß im Steuerhaus und rechnete den Kurs aus. Alle Uhren waren stehengeblieben. Der Steuermann faßte sich verzweifelt an den Kopf. Das war doch unmöglich! Immer wieder sah er nach dem Stand der Sterne. Seine ganze Navigationskunst schien zu versagen.
    Die Position des Schiffes war 18 Grad nördlicher Breite und 65 Grad westlicher Länge. Das hieß, daß man in den Stunden zwischen Abend und Morgen zirka 1100 Meilen zurückgelegt hatte, eine Strecke, zu der ein normales Segelschiff wenigstens acht bis zehn Tage benötigte. Pedro Virgen prüfte zum hundertsten Mal den Stand der Sterne. Diablo, es war danach erst zwölf Uhr nachts. Um elf hatte der Zyklon begonnen. Plötzlich sprang er auf und rannte zum Kapitän. »Geht Eure Uhr, Capitan?« fragte er hastig. Der schüttelte den Kopf.
    »Ja«, meinte Virgen nachdenklich, »dann wird man es uns später nie glauben, daß wir einen ganzen Tag lang nach Süden gesegelt sind, ohne zu merken, daß inzwischen die erste Nacht, der ganze folgende Tag und noch eine halbe Nacht vergangen sind.« »Wollt Ihr damit sagen, daß der Zyklon über vierundzwanzig Stunden angehalten hat?« Virgen nickte.
    »Ganz recht. Und ich lasse mich rädern und vierteilen, wenn wir nicht in der Nähe der kleinen Antilleninsel St. Martin sind.«
    »Das ist unmöglich!« rief der kleine Jardin. »Dann hätte uns der Sturm ja fast tausend Meilen nach Süden tragen müssen; imposible, rechnet noch einmal!«
    »Ich weiß, was ich weiß. Soll ich wieder auf Nordkurs gehen, Capitan? Wir wollten ja ursprünglich nach Boston.« Der Kapitän verneinte.
    »Wenn wir wirklich schon bei St. Martin sind, dann geht auf Süd-Ost-Kurs. Wir werden Codrington auf Barbuda anlaufen und unsere Galeone wieder fit machen. Die Piraten dort kümmern sich nicht um britisches Gesetz. Sie sind Spanier geblieben.Es besteht also keine Gefahr für uns.«
    »Bueno«, nickte Pedro Virgen, »gehen wir auf Südost. Können alle ein wenig Landluft vertragen, denke ich.«
    Michel lag todmüde in seiner Kabine. Auch Marina hatte sich

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