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El Silbador

El Silbador

Titel: El Silbador Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berndt Guben
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zurückgezogen und schlief. Ihr ganzer Körper war wie mit Blei gefüllt.Bis gegen Morgen war Michel auf den Beinen gewesen und hatte die Verletzten verbunden, was diese allerdings nur scheu duldeten. Wenn Marina für ein paar Minuten die Arztkoje verließ, um Wasser aus der Kombüse zu holen, wurden sie sichtlich unruhig.
    »Wo bleibt der Medico, Senor Doktor?« fragten sie. »Warum kommt der Arztgehilfe nicht zurück?«
    Michel biß die Zähne zusammen und tat, als merke er nicht, wie sehr die Stimmung gegen ihn war.
    Wenn sich Marina dann unbeobachtet glaubte, lag ein triumphierendes Lächeln um ihre Mundwinkel.
    Michel erwachte beim Morgengrauen durch den Ruf des Matrosen im Ausguck: »Schiff backbord voraus!«
    Verschlafen taumelte er aus seiner Koje und ging an Deck.
    Der Kapitän, Senor Jardin und Pedro Virgen standen auf der Kommandobrücke und beobachteten das gemeldete Fahrzeug.
    Michel trat hinzu, und man machte ihm bereitwillig Platz.
    »Scheint der Engländer zu sein, der uns während des Sturmes unfreiwillig begleitet hat.« Jardin blickte durch sein Glas hinüber. Dann schüttelte er verwundert den Kopf. »Das wimmelt ja dort an Deck wie auf einem Truppentransportschiff. Was haltet Ihr von der Sache, Capitan?«
    Der Kapitän blickte immer noch durch sein Glas. Er schien sich nicht schlüssig werden zu können. Nachdenklich meinte er:
    »Vielleicht sind es britische Landtruppen, die gegen Washington eingesetzt werden sollen. Wenn dem so ist, dann haben sie neue Uniformen bekommen. Ich sehe nur ganz vereinzelt einen roten Rock durch die Menge der Leute schimmern. Die anderen haben blaue Uniformen an. Wenn das Schiff nicht die englische Flagge gesetzt hätte, würde ich es für einen amerikanischen Freibeuter halten.«
    »Was meint Ihr dazu, Senor Doktor?« fragte Jardin den interessiert hinüberschauenden Michel und reichte ihm das Glas.
    Die Schiffe waren nur auf Kanonenschußweite voneinander entfernt.
    Michel hatte kaum einen Blick durch das Sehrohr geworfen als ihm ein Ausruf des Erstaunens entschlüpfte.
    »Que hay?« meldete sich der Kapitän interessiert.
    »Welch eine Überraschung für mich, caballeros! Das sind weder englische noch amerikanische
    Uniformen, sondern die Monturen des Landgrafen von Hessen-Kassel. Ich möchte auf der Stelle
    tot umfallen, wenn ich nicht selbst einmal so einen Rock getragen habe.«
    Die Spanier blickten ihn erstaunt an. ,
    »Was für ein Graf war das?« fragte der Steuermann verwundert.
    »Der Landgraf Friedrich von Hessen-Kassel.«
    »Kenne ich nicht — nie gehört, diesen Namen«, schüttelte der Steuermann den Kopf. Über das Gesicht des Kapitäns ging ein pfiffiges Aufblitzen.
    »Sagt, Senor Baum, handelt es sich um den deutschen Fürsten, der die schönen großen Goldtaler prägt?«
    Michel lachte.
    »No, Capitan, das ist Friedrich der Zweite von Preußen, der in Berlin residiert. Der Landgraf von Hessen-Kassel heißt zwar auch Friedrich, ist aber ein lächerlicher Knirps gegen den großen König, der jeden nach seiner Facon selig werden läßt.«
    »Gibt es solche Könige überhaupt?« fragte Alfonso Jardin, der anscheinend auch keine guten Erfahrungen mit gekrönten Häuptern gemacht hatte. Michel nickte.
    »Si, Senor, wie Ihr hört, existiert so einer wirklich. Ich habe zwar auch noch keinen weiteren kennengelernt; aber es ist immerhin erfreulich, daß es wenigstens eine Ausnahme unter den Tyrannen gibt.«
    »So, so«, meinte der Kapitän, »das sind also Landsleute von Euch?« Michel nickte.
    »Der Landgraf hat sie an die Engländer verkauft, damit sie in Amerika die Kastanien aus dem Feuer holen. Sie können nichts dafür, daß sie heute unter englischem Kommando stehen. Ich wundere mich allerdings, daß sie so schnell nach England kamen. Es muß doch nicht gerade sehr gut stehen in den Kolonien.«
    »Begreift Ihr es, Senor Baum«, fragte Jardin nachdenklich, »daß sich diese Männer da drüben so einfach von ihrem Fürsten verkaufen lassen?« Michel schob das Kinn vor. Sein Gesicht wurde hart.
    »Ihr kennt die Verhältnisse nicht, wenn Ihr so fragt, Senor. Ich selbst habe einmal in dieser verfluchten Montur gesteckt. Aber nicht jeder hat den Mut, sein Heimatland als Deserteur zu verlassen. Die meisten von diesen braven Musketieren wissen wahrscheinlich selbst nicht, wie sie so schnell zu jener Uniform gekommen sind.«
    »Muy bien«, meinte der Kapitän, »mögen sie nach Amerika fahren. Der General Washington wird sie schon davonjagen. Für mich ist

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