Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
El Silbador

El Silbador

Titel: El Silbador Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berndt Guben
Vom Netzwerk:
britischen Fregatte.Michel hatte die ganze Zeit über untätig herumgestanden. Es widerstrebte ihm, gegen seine Landsleute zu kämpfen. Er spielte sogar mit dem Gedanken, diese unter allen Umständen vor der Wut der
    Piraten zu retten. Sie waren unschuldig an diesem Seegefecht wie kleine Kinder, denen ein Älterer Dummheiten vormacht, um sie ebenfalls dazu zu reizen.
    Michel hielt Ausschau nach dem Ersten Offizier und dem Kapitän. Diese beiden aber waren drüben im schönsten Kampfgetümmel. Selbst der weißbärtige Capitan ließ sich eine solche Gelegenheit nicht entgehen.
    Das Töten muß doch ein unterhaltsames Spiel sein, dachte Michel bitter. Sollte er zum Steuermann gehen?
    Der hatte sicherlich Besseres zu tun, als sich um die hessischen Soldaten zu kümmern. Plötzlich kam Michel eine Idee. Er zog seinen Degen, schnappte ein Enterseil und schwang sich auch hinüber auf die »Quebec«.
    Ohne jemanden zu verletzen, bahnte er sich einen Weg durch die Kämpfenden, bis er zu dem freien Heck gelangte. Dort sprang er auf eine Taurolle und stieß ein paar durchdringende Pfiffe aus. Die meisten der Kämpfenden hielten für einen Augenblick inne und sahen auf den Mann, der dort stand und seinen Degen erhoben hatte. Die Korsaren staunten nicht schlecht über ihren Schiffsdoktor.
    Michel benutzte die eingetretene Ruhe und brüllte in deutscher Sprache über das Deck: »Hört, ihr Hessen und Kasselaner! Werft die Musketen weg und kommt hierher zu mir. Versammelt Euch im Heck. Was geht Euch das englische Schiff an? Wer leben will, der komme hierher!«
    Dann wandte er sich an die Korsaren:
    »Ich habe die Soldaten, die keine Engländer sind, aufgefordert, sich zu ergeben. Kämpft mit den Briten, denen das Schiff gehört. Die Männer in den blauen Uniformen stehen unter meinem Schutz.«
    Die Korsaren stürzten sich jetzt umso wilder auf die wenigen Rotröcke, die noch zu sehen waren, und metzelten sie erbarmungslos nieder. Die Hessen aber ließen die Waffen sinken und kamen, zuerst vereinzelt, dann jedoch haufenweise zum Heck.
    Nach kurzer Zeit war der Kampf beendet. Die Korsaren hatten kaum einen Mann verloren. Von den Engländern war niemand mehr zu sehen.
    Marina hatte vom Deck der »Trueno« aus alles verfolgt. Sie war auf eine Rahe geklettert, von der aus sie alles übersehen konnte. So entging es ihr auch nicht, wie ihr geliebter und gehaßter Silbador die Soldaten vor der Wut der Korsaren rettete.
    Ihr war es zunächst gleichgültig, ob diese Deutschen starben oder am Leben blieben. Sinnend sah sie über das Getümmel hinweg. Ihre Gedanken umkreisten einzig und allein den Geliebten, der sie täglich, ja stündlich seine kränkende Gleichgültigkeit fühlen ließ. Sie setzte ein Fernrohr an das Auge, und ihr Blick fiel rein zufällig auf eine einzelne Szene, die an sich ohne Gewicht gewesen wäre, nun aber, nachdem sie von ihr beobachtet worden war, in ihrem Kopf einen teuflischen Plan entstehen ließ.Dicht vor den Hessen standen ein paar Korsaren mit unzufriedenen Gesichtern, denen man es ansah, daß sie für ihr Leben gern auch noch die armen Soldaten abgeschlachtet hätten. Marina sah die Scheu in ihren Augen, die Angst vor den »Zauberkünsten« des Silbador. Nur, weil dieser zugegen war, getrauten sie sich nicht an die zitternden Musketiere.
    Marina setzte das Glas ab. Ihr Plan war fertig. Ein grausames Lächeln umspielte ihre Lippen. Heimlich ballte sie die Fäuste und drohte nach drüben hin, wo Michel stand. »Warte!« zischte sie bebend, »du sollst vor mir noch um dein Leben winseln! Du wirst mich um einen mitleidvollen Blick anbetteln, geliebter Schuft!« —
    Als der Kampf beendet war, kamen der Kapitän und Senor Jardin zum Heck gestürzt. Der Kapitän schrie seine Leute an:
    »Was steht ihr hier herum? Weshalb blast ihr nicht diesen verdammten Blaujacken das Lebenslicht aus?«
    Ein Korsar, der auf den Namen Guillermo hörte — seinen Nachnamen hatte er selbst längst vergessen — wies auf den Pfeifer und meinte mißmutig:
    »Der Doktor hat uns verboten, sie ins Meer zu werfen. Wir sollen sie schonen.« Der Kapitän und Jardin sahen Michel ungläubig an.
    »Weshalb mischt Ihr Euch in meine Angelegenheiten, Senor Baum?« fragte der Kapitän. Michel blickte für einen Moment zu Boden, doch dann sah er den Alten fest an. »Menschenleben auszulöschen, Senor Capitan, ist nicht Eure Angelegenheit. Ich habe Euch bereits vorhin auf unserem Schiff erklärt, wie man beim Landgrafen von Hessen-Kassel Soldat wird.

Weitere Kostenlose Bücher