El Silbador
Diese Männer hier sind keine Engländer und fallen daher nicht unter das Kriegsrecht.«
»Diablo, Doktor, was versteht Ihr vom Kriegsrecht? Jeder Angehörige eines fremden Schiffes, der eine Waffe trägt, verfällt dem Sieger. Diese Burschen da haben sogar auf meine Leute geschossen.«
»Versteht mich doch, Capitan und companeros. Es sind Menschen aus meinem Heimatlande, die man zum Kriegsdienst gezwungen hat, damit ein schurkischer Fürst seine Mätressen reicher aushalten kann.«
Der kleine Alfonso Jardin verstand Michel. Wenigstens tat er so. Er erinnerte sich plötzlich, wie dieser sonderbare Doktor mit ihm selbst umgegangen war, als er ihn besiegt hatte. Und hatte er nicht auch diesen ekelhaften Escamillo de Fuentes geschont, ja ihn sogar verbunden? Escamillo befand sich auf dem Weg der Besserung. Sein Stumpf war schon fast verheilt.
»Ihr habt recht, Senor Doktor«, sagte er jetzt in die lastende Stille hinein. »Die Leute können wirklich nichts dafür. Wir können sie mitnehmen und auf Barbuda ansiedeln. Sie können vielleicht ganz brauchbare companeros werden.«
Als der Kapitän sah, daß sich niemand dagegen empörte, schloß er sich offen der Meinung seines Ersten an.
»Nehmt die Fregatte ins Schlepp, Leute. Wir takeln sie in Codrington neu auf und verkaufen sie an Washington. Das gibt ein schönes Stück Geld für uns alle.« Die Korsaren gingen auseinander.
Guillermo machte ein finsteres Gesicht. Als sie außer Hörweite des Schiffsgewaltigen waren, fragte ihn ein Kamerad:»Was ist dir über die Leber gelaufen, Guillermo? Du machst ein Gesicht, als wären wir besiegt worden!« Der Gefragte stieß zornig die Faust in die Luft.
»Weshalb mußte sich dieser verdammte Aleman in unser Geschäft mischen? Die Soldaten haben sicher ein paar Piaster bei sich. Wer die meisten umgelegt hätte, hätte bestimmt einen Beutel voll Geld für den Landaufenthalt in Codrington gehabt!« Der andere wurde nachdenklich.
»Du hast recht. Von dieser Seite habe ich die Sache noch gar nicht betrachtet. Nach Freibeuterrecht steht uns Eigentum und Leben der Besiegten zu. Wir werden das Flibustiergericht auf Barbuda anrufen, damit uns der Kapitän den Schaden ersetzt.« »Diablo«, zischte Guillermo, »ich glaube fast, daß es wahr ist, was der Arztgehilfe von diesem deutschen Doktor erzählt. Du weißt, er soll in den Pyrenäen gar einen Pfarrer behext haben. Warum sollte ihm das nicht auch bei dem Capitan und dem Ersten gelingen?« »Komm, gehen wir hinüber auf die »Trueno« und sprechen mit dem Arztgehilfen. Vielleicht kann der für eine Weile die Zauberkraft von dem Doktor nehmen, damit uns der Kapitän unsere Chance gibt.«
Die hessischen Soldaten wurden in den Kielraum der »Trueno« gepfercht. Aber Michel protestierte nicht dagegen, da sie ja sowieso in Kürze den Hafen anlaufen würden. Dann konnten auch sie wieder frische Luft atmen.
Zunächst hatte Michel alle Hände voll zu tun. Die Piraten hatten Wunden davongetragen, schwerere und leichtere. Der Schiffsarzt wickelte Bandagen um zerschundene Glieder. Die ganz leichten Fälle behandelte Marina, die sich in der Nebenkoje eingerichtet hatte, selbständig. Anfangs ging Michel von Zeit zu Zeit nach dem Rechten sehen.
Später, als die Leute verpflastert und versorgt waren, nahm er ein Tuch und schlug mehrere Bandagen und blutstillende Mittel darin ein, um auch die gefangenen Hessen zu behandeln. Einige der Spanier, die ihn in der Luke, die zum Kielraum hinunterführte, verschwinden sahen, machten ihre Glossen darüber und schüttelten verwundert die Köpfe. Wie hätten sie auch einen Menschen mit humaner Auffassung verstehen können?
Ein fürchterlicher Gestank und lautes Stöhnen schlug dem Arzt entgegen, als er die Leiter hinunterstieg. Zorn kam in ihm hoch. Er nahm sich vor, beim Kapitän ein Wort für die Gefangenen einzulegen.
Ein paar Kerzen brannten trübe.
»Ist jemand verwundet hier unten?« fragte er.
Zwei, drei Stimmen antworteten.
»Wer Hilfe braucht, muß sich schon zu mir bemühen. Ich kann nicht zu jedem einzeln hinkommen.«
Ganz in der Nähe fluchte ein Soldat.
»Mach, das du rauskommst, verdammter Seeräuber! Wir pfeifen auf deine Hilfe.« Michel lachte trocken auf.
»Ohne die wärt ihr längst ein Fraß für die Haie geworden, ihr dickköpfigen Hessen.« Eine andere Stimme kam aus der gegenüberliegenden Ecke.»Wer seid Ihr eigentlich, Herr Medicus? Wie kommt Ihr auf dieses Schiff?«
Michel horchte verwundert auf. Diese Stimme weckte
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