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El Silbador

El Silbador

Titel: El Silbador Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berndt Guben
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ganz verschwommene Erinnerungen in ihm. Er mußte sie schon einmal irgendwo gehört haben.
    »Wer seid Ihr?« stellte er die Gegenfrage. »Wenn hier einer das Recht hat, eine Antwort zu verlangen, dann bin ich es, verstanden?« Mit Absicht gab sich Michel sehr energisch. Er kannte den Kasernenhofton aus eigener Erfahrung und wußte, daß man damit am weitesten kam. Die Antwort erscholl in näselndem Tonfall.
    »Ihr scheint mir zwar ein unverschämter Patron zu sein; aber ich sehe ein, daß hier nur das Recht des Stärkeren entscheidet. Ich bin der Rittmeister dieser Leute hier. Wir sind die dritte Schwadron des landgräflich hessischen Reiterregiments.«
    »Ah«, meinte Michel belustigt, »ich wußte gar nicht, daß Landgraf Friedrich über Reiterregimenter verfügt. Seit wann existiert eine solche Abteilung? Ihr seht mir eher aus wie Musketiere. Sonst hättet ihr euch mit den Kavalleriesäbeln besser gegen unsere Leute verteidigt.«
    »Äh — äh«, machte der Rittmeister. »Ich glaube, wir sind Euch keine Rechenschaft darüber schuldig, was wir darstellen. Ganz abgesehen davon — äh — kommt mir Eure Stimme irgendwie bekannt vor.« »Das geht mir mit der Eurigen ähnlich. Wie ist Euer Name, bitte?« »Rittmeister von Eberstein, Herr Schiffsmedicus.«
    Michel wechselte die Farbe. Glücklicherweise war es hier so dunkel, daß niemand seine Blässe bemerken konnte. Es dauerte geraume Zeit, bis er sich wieder gefaßt hatte. »Rudolf Graf von Eberstein?« fragte er unsicher.
    »Ganz recht«, kam die verwunderte Antwort aus dem Dunkel. »Kennt Ihr mich?«
    »Nicht als Rittmeister, aber als Leutnant der landgräflichen Musketiere in Kassel«, antwortete
    Michel mit gepreßter Stimme.
    »Stimmt, das war ich vorher. Vor kurzem bin ich befördert worden; aus meiner Kompanie wurde eine Schwadron gebildet, wodurch wir in den Augen der Engländer höher bewertet wurden«, drückte sich der Graf vorsichtig aus. Er wollte nicht direkt sagen, daß man Kavalleristen aus ihnen gemacht hatte, damit der Hof für jeden Reiter zehn Taler Miete kassieren konnte anstatt sieben.
    »Eigenartig, Herr Rittmeister«, sagte Michel. »Wie kommt Ihr hierher? Seit wann werden die Offiziere ebenfalls verschachert?«
    »Äh — äh«, druckste der Graf herum, »möchte mich darüber nicht näher auslassen. Hatte kleine Offiziershändel. Unangenehme Sache. Kann passieren, sowas.« »Also strafversetzt«, konstatierte Michel.
    »Wollt Ihr mir nicht sagen, woher Ihr mich kennt, Herr Doktor?« fragte Eberstein jetzt höflicher. Michel gab sich einen Ruck.
    »Gern Herr Rittmeister. — Ihr wart einmal für kurze Zeit mein Vorgesetzter — bis ich mich selbst von Euch befreite.«
    Schweigen. Man hätte eine Stecknadel fallen hören können. »Baum — Musketier Baum!« schrie der Graf plötzlich in die Stille.
    »Vergeßt nicht, Herr Rittmeister, wenn schon Musketier, dann Musketier Doktor Baum.«»Ja, ja natürlich — äh — ich vergaß —«
    »Nichts für ungut, Herr Rittmeister. Ich werde sehen, was ich für Euch tun kann. Seid Ihr verwundet?«
    »Nicht der Rede wert. Äh — äh — nur kleine Schramme am linken Arm. Wie gesagt, nicht der Rede wert.«
    »Ich werde Euch trotzdem verbinden. Kommt her.«
    Der kleine Jardin schritt mit gekrauster Stirn über Deck. Hin und wieder blieb er stehen und musterte mit hochgezogenen Brauen die Kanoniere, die mit der Arbeit des Geschützreinigens beschäftigt waren. Er hatte schon vorhin bemerkt, daß die Männer die Köpfe zusammensteckten und eifrig miteinander tuschelten, daß sie jedoch im gleichen Augenblick, in dem sie ihn nahen sahen, auseinanderfuhren, verstummten und in ihrer Betätigung fortfuhren. Senor Jardin konnte sich keinen Reim auf dieses Gebaren machen. Endlich, als er wieder bei den Heckkanonen erschien, wurde ihm die Geheimnistuerei zu bunt. So wandte er sich denn an einen der etwas abseits stehenden Korsaren und fragte:
    »Was zum Teufel, ist in euch gefahren, Punte? Was habt ihr dauernd miteinander zu zischeln? Seid ihr plötzlich Waschweiber geworden?«
    »Nana«, sagte Punte, »es ist nichts von Bedeutung, Senor Jardin. Die Leute beklagen sich nur über die ungewöhnliche Haltung des Capitan den Gefangenen gegenüber.« »So, daher also das Geflüster. Mir scheint, ihr habt vergessen, daß ihr auf einer Galeone Dienst tut, die das Eigentum des Kapitäns ist. Was er entscheidet, das gilt.«
    »Muy bien, Senor, Ihr sagt ganz richtig, was er entscheidet — — nicht aber, was sich

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